gegenseitige verletzungen, vorwürfe, gemeinheiten, verdächtigungen, erniedrigungen – victoria trauttmansdorff als estelle, meryem öz als inès, johannes hegemann als garcin: sie machen sich fertig, total fertig. jean-paul sartre hat sie 1944 eingesperrt, „huis clos“, geschlossene gesellschaft, drei tote in der hölle. und da sind sie immer noch. sartre braucht keinen gott, der richtet, und keinen teufel, der bestraft: „die hölle, das sind die anderen.“ wehe, der mensch ist frei und für sein handeln allein verantwortlich. aus sartres messerscharfer analyse machen regisseur evgeny kulagin und choreograf ivan estegneev in der werkstatt des thalia theaters in hamburg jetzt ein physical theatre: jedes gefühl explodiert, jede bemerkung eskaliert, die psychische folter wird immer auch zur physischen. statt in einem geschmacklosen salon wie in sartres vorlage befinden sich die drei und ihr aufseher jetzt in einem leeren museumssaal, kein fenster, kein tageslicht, kein ausgang und an der wand ruinierte gemälde. hier bespringen und würgen sie sich, sie tanzen walzer und tango und werfen sich zu boden, sie gehen sich an die wäsche und schwitzen und stossen sich angewidert ab. drei menschen, drei körper im dauerstress, eine enorme leistung, die hölle ist schwerstarbeit. sämtliche negativen kräfte werden subito frei- und in latente oder explizite gewalt umgesetzt. tanz den teufel. braucht sartres text diese visuelle drastik? nein, braucht er nicht. schadet sie? nein. sartres erforschung menschlicher abgründe fährt immer noch ein, so oder so, auch nach 80 jahren. „machen wir weiter“, sagt der aufseher am schluss ganz trocken, es ist die düsterste aller möglichen perspektiven. ein höllischer abend.
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