Freitag, 23. Februar 2024

HAMBURG: NORMA MINUS TENOR

der argentinische tenor marcelo álvarez (61) sollte nur noch in der arena di verona singen. oder in fussballstadien. er ist ein stimmenprotz der alten schule, kommt auf die bühne, schmettert seine spitzentöne, fortissimo an der rampe, es ist ihm völlig egal, wer neben ihm sonst noch singt und wie, und vor allem ist ihm egal, was die regisseurin zum stück gedacht und entwickelt hat. nicht idee und konzept zählen bei álvarez, sondern bloss effekt und applaus. ein tenor wie eine dampfwalze, dessen gestisches repertoire sich auf die handelsüblichen macho-posen beschränkt. verona total also. dass sich ein haus wie die hamburgische staatsoper für ihre differenzierte inszenierung von bellinis „norma“ eine derartige fehlbesetzung leistet, ist erstaunlich und ärgerlich. „norma“ ist die geschichte einer dreiecksbeziehung: zwei freundinnen lieben, ohne es vorerst gegenseitig zu wissen, den gleichen mann, der zudem – damit´s richtig kompliziert wird – dem feindlichen lager angehört. zwei druidinnen, ein römer, eine explosive konstellation, leidenschaft und hass à discrétion. wenn der mann in diesem dreieck stimmlich völlig überbordet und darstellerisch eine aus dem rahmen fallende karikatur abgibt, dann sackt alles weg, null intimität, null spannung, null gänsehaut. olga peretyatko als norma und angela brower als adalgisa liefern – und damit jetzt zum erfreulichen – zwei hochemotionale porträts der beiden freundinnen, die zu rivalinnen werden, in den grossen duetten mit ihren eher herben stimmen perfekt harmonierend. und überzeugend auch die inszenierung von yona kim, die auf zeitlose und suggestive bilder setzt: krieg, folter, trauma – draussen in der welt und in normas seele.

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