Sonntag, 30. August 2020

REGENSBURG: FERNWEH

„fernweh“ als thema einer ausstellung passt hervorragend in diese corona-gebeutelten zeiten. dass diese ganz dem unbeschwerten entkommen gewidmete ausstellung ausgerechnet in regensburg stattfindet, im kunstforum ostdeutsche galerie, kann allerdings kein zufall sein. fernweh dürfte in dieser stadt ein dauerthema sein. man muss dann mal weg hier. zwar ist die altstadt dermassen geschichtsprall und in ihrer weitgehenden unversehrtheit eindrücklich, dass sie seit 2006 verdientermassen zum unesco-welterbe gehört, doch wirkt dieses historische ensemble so beschaulich, so behaglich, so putzig, so puppenstubenhaft, dass sogar bern und winterthur und sursee vergleichsweise aufregende städte sind. in regensburg scheint sich niemand, wirklich niemand aus der ruhe bringen zu lassen. einzig „der goldene waller“ schien die gemüter im ortsüblichen mass zu erhitzen, also zu erwärmen: ein acht meter langer, 870 kilogramm schwerer, 200´000 euro teurer, bis beinahe zur unkenntlichkeit stilisierter wels des berliner künstlerpaares stoebo an der neugestalteten donaupromenade. so viel abstrakte kunst geht den leuten in dieser bilderbuch-umgebung dann doch zu weit. mit einem nicht eben diskreten schild versucht die stadtverwaltung den unmut jetzt im zaum zu halten: „der goldene waller ist ein kunstwerk. wir bitten, vom beklettern und sonstigen sachbeschädigungen abzusehen.“ this is regensburg. als mich das fernweh dann endgültig packt, fahre ich 20 minuten mit dem bus nummer 3 bis zur endstation wutzlhofen, um herauszufinden, ob es doch noch irgendwo richtiges leben gibt in dieser idylle. es gibt.

Sonntag, 9. August 2020

POSCHIAVO: DAS ANTI-BAYERN?

34 jahre lebte der deutsche maler, schriftsteller und mozart-biograf wolfgang hildesheimer in poschiavo. 34 seiner insgesamt 75 lebensjahre. in der mitte seines lebens floh er für immer aus bayern – wegen dem „entsetzlichen“ klima. und er meinte damit nicht bloss das meteorologische klima, sondern auch das „furchtbare volk von bürokraten, spiessern und verrannten ethikern“. der enge im weiten bayernland wollte er entkommen und suchte das weite im engen bündner bergtal, quasi eine paradoxe intervention. man mag jetzt darüber sinnieren, ob das mehr über bayern sagt oder über poschiavo oder über wolfgang hildesheimer oder über die wirkung gesunder bergluft. oder war es vielleicht – wie bei uns – auch die unmittelbare nähe zu italien, die das puschlav so verlockend erscheinen liess?