Freitag, 24. April 2020

NYON: ANCHE STANOTTE LE MUCCHE...

„anche stanotte le mucche danzeranno sul tetto“ – auch heute nacht werden die kühe auf dem dach tanzen. was verbirgt sich wohl hinter diesem wunderlichen filmtitel? die neue 80minütige doku von aldo gugolz und susanne schüle (die zuletzt mit „rue de blamage“ über die luzerner baselstrasse für furore sorgten) berichtet von fabiano, dem 38jährigen älpler, der mit 50 ziegen und acht kühen auf der alpe d’arena im valle vergeletto lebt. fabiano träumt schlecht: seine kühe steigen aufs dach, der stall stürzt ein, sie fallen in den käse, den er produziert. der erlös reicht eh kaum zum leben, erst recht nicht, wenn seine freundin jetzt noch das erste kind auf die welt bringt; zudem hat er schulden, weil er mist gebaut hat, und es plagen ihn gewissensbisse, weil der mazedonische schwarzarbeiter, der bei ihm auf der alp mithalf, in einer gewitternacht auf rätselhafte weise zu tode kam, ausgerechnet zu einer zeit, als auch ein junger mörder aus zürich bei fabiano unterschlupf fand. das ist keine aussteigeridylle hier, sondern ein alptraum. immer wieder zeigen gugolz und schüle das unwirtliche dieser abgelegenen alp, im regen, im nebel, symbolbilder für ein garstiges leben. und sie kommen sehr nahe ran an diesen fabiano, an seine zweifel, an seine unruhe und auch an seinen weichen kern. zärtlich spielt er mit seinem kleinen santino, doch er weiss, dass die kühe nachts wieder tanzen werden auf seinem dach. man hätte diesem sorgfältigen, intimen porträt die geplante uraufführung am renommierten dokumentarfilmfestival „visions du réel“ in nyon gegönnt. jetzt gab’s die première halt nur online. und dafür applaus im heimkino.      

Mittwoch, 22. April 2020

VATTIZ: WAR FONTANE HIER?

"bei lichte besehen sind ruhe und glück überhaupt dasselbe." (theodor fontane) - das val lumnezia ist das tal des lichts ist das tal der ruhe ist das tal des glücks.

Montag, 6. April 2020

WROCŁAW: JETZT KOMMEN NEUE ZEITEN

das wetter ist in breslau fast sommerlich, die sonne blendet, der himmel ist blau und die luft ist rein. so nimmt es literaturnobelpreisträgerin olga tokarczuk wahr, die zuhause sitzt und die derzeitige isolation nicht bedauert: „ich hatte schon seit längerem zu viel welt um mich herum. zu viel, zu schnell, zu laut“, schreibt sie in ihrem corona-aufsatz in der frankfurter allgemeinen zeitung. ihre introversion habe lange unter dem diktat hyperaktiver extrovertierter gelitten. wie unterschiedlich nehmen introvertierte und extrovertierte diesen ausnahmezustand wahr? wie unterschiedlich wird er sich auf ihre zukunft auswirken? „wir sitzen zu hause, lesen bücher und schauen serien, aber in wirklichkeit bereiten wir uns auf die schlacht um eine neue wirklichkeit vor, die wir uns noch nicht einmal vorstellen können; nur beginnen wir langsam zu begreifen, dass nichts mehr so sein wird, wie es war. (…) jetzt kommen neue zeiten.“ für die grösste niederlage in diesen schlechten zeiten hält tokarczuk die schliessung der staatsgrenzen: „zurückgekehrt sind die alten egoismen und die kategorien ‚eigen‘ und ‚fremd‘.“ ja, jetzt kommen neue zeiten.