Montag, 16. Juni 2025

OBERRIEDEN: STRYX

eine junge heilerin und der dorfpfarrer werden mitten in einem kleinen bauerndorf an einen pfahl gefesselt, rücken an rücken, das stroh zu ihren füssen wird angezündet, die beiden verbrennen – unter den augen der dorfbevölkerung und eines widerlichen kardinals und seiner lakaien. wir sind im jahr 1583 im italienischsprachigen teil graubündens. diese szene ist der dramatische höhe- und der inhaltliche tiefpunkt des filmprojekts „stryx“, das jetzt bei „kultur im winkel“ in oberrieden seine deutschschweizer première erlebte. 40´000 bis 60´000 menschen wurden in westeuropa zwischen dem 15. und dem 18. jahrhundert als hexen und hexer verfolgt und umgebracht, allein in der schweiz geht man von 6000 aus. dieses dunkle kapitel wollten die beiden tessiner filmemacherinnen camila koller und thania micheli, die selber die hauptrollen spielen, mit „stryx“ aufgreifen. als basis für ihre fiktive geschichte, die als webserie konzipiert ist (6 teile à 8 bis 15 minuten, jetzt auch bei play rsi und auf youtube), dienten ihnen vor allem die protokolle der hexenprozesse im puschlav. mit starken bildern und ausschliesslich tessiner darstellerinnen und darstellern gelingt es ihnen, das grauen der inquisition fassbar zu machen, die das friedliche nebeneinander unterschiedlich denkender menschen in den dörfern für immer zerstörte: spitzel wurden eingeschleust, unschuldige menschen ausgehorcht und – die parallele zur gegenwart – vor allem frauen, die mehr wussten und mehr wollten als andere, wurden zur zielscheibe. „stryx“ wurde im alten dorfteil von moghegno im maggiatal und in der kirche von giornico in der leventina gedreht und gewann beim renommierten webfest von los angeles den hauptpreis und beim webfest von new york den preis für den besten soundtrack – beachtliche auszeichnungen für eine, wie die beiden initiantinnen sagen, "zero-budget"-produktion.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen