was machen unsere träume mit uns? und was machen wir mit unseren träumen? dr. kieron ist ein hochkarätiger quantenphysiker, der die fachwelt ätzend terrorisiert, er kompensiert mit einem doppelleben im rotlicht-milieu und er träumt wie wild, das ist seine dritte dimension: er ist ein gefangener seiner quälenden träume. für ihre neue oper „die dunkle seite des mondes“ (ein auftragswerk der hamburger staatsoper) liess sich die koreanische komponistin unsuk chin von dem umstrittenen wissenschaftler wolfgang pauli und seinem kontakt zu carl gustav jung inspirieren. losgelöst von diesen biografischen fakten entführen die komponistin, die auch das lebenspralle und abgründige libretto eigenhändig verfasste, und das regieduo dead centre den dr. kieron und uns in die welt der träume und ihrer deutung – auf der suche nach dem bösen im menschen. das macht was her, dreieinhalb stunden lang: zu enigmatischen bildern auf der bühne entwickelt sich ein suggestiv-sinnlicher klangrausch, klirrend, krachend, kratzend, klagend. kent nagano, der abtretende generalmusikdirektor, erfasst mit dem staatsorchester virtuos sämtliche facetten dieser opulenten musik. der amerikanische bariton thomas lehman zeichnet mit strahlender stimme und nie versiegender energie das porträt eines von visionen und illusionen getriebenen und gespaltenen mannes, der laufend den figuren seiner träume begegnet und sie, hilf- und ratlos, zu entschlüsseln versucht (hier besonders eindrücklich narea son als das lichte mädchen und kangmin justin kim als anima). bo skovhus gibt astaroth, den dubiosen seelendoktor, dem kieron verfällt, mit markantem und nuancenreichem bariton (und als figur etwas gar sehr den dämonischen mephisto-klischees verhaftet). astaroth entpuppt sich letztlich als kierons alter ego, ein spiegel seiner inneren konflikte: die faszinierende konfrontation zweier seelen eines einzigen menschen, der sich auf der suche nach sich selbst ganz und gar abhanden kommt. viel pessimisms, nicht ganz unpassend derzeit.
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