diese musik wühlt auf. man hört schüsse, immer wieder schüsse. die sinfonie nr. 11 von dmitri schostakowitsch beschäftigt sich mit dem 22. januar 1905 (oder 9. januar nach dem damals in russland gültigen julianischen kalender), der als petersburger blutsonntag in die geschichte einging. mehr als 30´000 arbeiter demonstrierten in der stadt. die palastwache des zaren feuerte in die menschenmenge, es gab viele tote, das brutale massaker war der beginn der russischen revolution. schostakowitsch zeichnete in seiner sinfonie 1957 ein schonungsloses bild dieser ereignisse, in g-moll, dunkel und schwer, jetzt umwerfend dargeboten vom luzerner sinfonieorchester unter seinem chefdirigenten michael sanderling: es breitet sich eine unruhe aus, der man sich nicht entziehen kann. im ersten satz wird die zunehmende anspannung auf dem palastplatz fast physisch spürbar, im zweiten satz dann die schüsse der soldaten, das orchester scheint zu explodieren, das schlagwerk kommt nicht zur ruhe, endlos kommen einem diese schüsse vor, das grauen, die panik, das chaos, eine steigerung ins unerträgliche – danach tiefe trauer und am schluss ein sturmgeläut, ein freiheitslied, hoffnung auf politische veränderung. diese sinfonie ist geschichte, politik, mahnmal und kino in einem. ganz ähnlich konzipiert auch benjamin brittens violinkonzert in d-moll, das julia fischer im ersten teil des abends interpretierte, ein virtuoses spiel zwischen bedrohlichen, verzweifelten und zuversichtlichen sequenzen. britten, der komponist und pazifist, stand damals unter dem schock des spanischen bürgerkriegs und wohl in vorahnung des zweiten weltkriegs. mit diesem konzert, düster und heftig, lieferte das luzerner sinfonieorchester einmal mehr den beweis, dass es mittlerweile zu recht zu den absoluten top-orchestern gehört, auf internationalem niveau.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen