nein, dieser junge hat’s nicht leicht: er steht auf männer, er steht auf frauenkleider, er kommt vom land, er sucht in der stadt die freiheit und die lust, er hat panische angst vor aids, er heisst flori. „sauhund“ war vor zwei jahren der debütroman des 29jährigen lion christ und wird jetzt in einer bühnenfassung an den münchner kammerspielen gezeigt – ein blick zurück in die jahre, als es jimi hendrix und freddie mercury in den münchner clubs krachen liessen, als anderseits die schwulen angesichts der hiv-pandemie von der offiziellen bayerischen politik übelst stigmatisiert wurden, eine höchst ambivalente zeit. mit schwarz-weiss-bildern aus den 70ern und 80ern, videos von demos und alpin inspirierten sounds fangen florian fischer und ludwig abraham die stimmung im bayernland präzis ein, ihre inszenierung wird zum doku-drama. gespielt wird ausschliesslich auf der vorbühne, grossaufnahme sozusagen, man bleibt nah dran, vor allem an elias krischke, als flori eine top-besetzung: strohblonde stoppelfrisur, leuchtende augen, ein zarter kerl, der seinen körper liebt, er schminkt sich, wirft sich in grelle klamotten, wirft sich in die queere szene, die ihn immer wieder überfordert. wir begleiten einen sensiblen jungen mann, dem zunehmend die koordinaten abhanden kommen: „ich vermisse niemanden mehr und niemand vermisst mich.“ war das wirklich das ziel? – edmund telgenkämper spielt wunderbar wandelbar all die männer, die flori trifft, gregor, kenny, miguel, jakob, alte, junge, mal schneller sex, mal grosse liebe. und annette paulmann gibt absolut hinreissend frauen aus drei generationen: floris ausgepumpte mutter, floris aufgekratzte jugendfreundin und die alte frau eichinger, mit der er sich als zivi im pflegeheim anfreundete. mit nur drei personen auf der bühne wird „sauhund“ zum grossen gesellschaftspanorama. doch ist diese inszenierung mehr als ein schmerzhaftes, auch voyeuristisches blättern im album? ja, eine aufforderung zu mehr toleranz, mehr empathie, aktiver solidarität, echter freundschaft.
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