Montag, 7. Oktober 2024

INNSBRUCK: VERLANGEN

peter bringt seinen bruder simon um. sein jüngerer halbbruder eben bringt agnes um, die junge frau des alten vaters und seine geliebte, und dann sich selbst. peter ertrinkt, weil ihm geld in den fluss gefallen ist. mina, mit der fast alle ein verhältnis hatten, bringt ephraim um, den autoritären vater. ein neugeborenes wird tot im bett gefunden – und dann sagt einer: „mitgefühl ist das schlimmste aller gefühle.“ im auftrag des landestheaters innsbruck hat die junge autorin lisa wentz eugene o´neills schauspiel „desire under the elms“ (gier unter ulmen, 1924), das in der amerikanischen pampa spielt, in ihre heimat verlegt. statt also das publikum für ein stück aus einem anderen kulturkreis zu erwärmen (was in den theatern leider nicht mehr immer funktioniert), holt sie den stoff in die lebenswelt des publikums. die dysfunktionale familie haust jetzt in einem tiroler bergdorf. bereits der blick auf die riesige bühne macht jedoch klar, dass hier kein volkstheater inszeniert wird, sondern eine tragödie griechischen ausmasses: riesige weisse kuben stehen herum, vielleicht sind es berge, vielleicht ist es das eis, das sämtliche gefühle dominiert, dazwischen viel leere. in dieser leere lässt regisseurin cilli drexel die figuren fast holzschnittartig agieren. das misstrauen und die distanz aller zu allen setzt sie bildlich um, wenn sie sich anschreien, wenn sie gifteln, wenn sie sich quälen bis aufs blut, dann tun sie das alles sehr oft auf grosse distanz, denn hier ist jede und jeder allein, stur, unbarmherzig, hart. kleiner einwand deshalb: dieser streit um ein erbe, einen hof, und die gier nach geld und liebe und sex wird durch den titel „verlangen“, den lisa wentz für ihre überschreibung gewählt hat, nur unzureichend erfasst, „gier“ trifft diese emotionalen explosionen eindeutig besser. im gegensatz zur amerikanischen vorlage wertet die autorin dafür die beiden frauen auf, agnes und mina: es geht ihnen hier nicht besser, doch man versteht besser, wie schlecht es ihnen geht. eugene o’neill goes tirol – das experiment ist absolut geglückt, auch dank einem hervorragenden ensemble.

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