Donnerstag, 10. Oktober 2024

REGENSBURG: EIN MEILENSTEIN FÜR DIE UKRAINE

die ukraine fand ohne uns statt. ukrainische kultur? wer im westen hatte vor dem russischen angriffskrieg bücher von serhij zhadan („mesopotamien“) oder andrej kurkow („graue bienen“) gelesen? wer kannte sinfonien von borys ljatoschynskyi? oksana lyniv dirigierte zwar bereits grosse orchester im westen, doch wer wusste, dass sie ukrainerin ist? wer hatte schon mal vom leftbanktheater in kyjiw gehört, das in der gleichen liga spielt wie die berliner schaubühne und das zürcher schauspielhaus, und von so vielseitigen theaterleuten wie vitalina bibliv und dmytro oliinyk? der film „slovo house“ von taras tomenko, in dem dmytro oliinyk die hauptrolle spielt, zeigt eindrücklich, wie stalin vor bald 100 jahren das intellektuelle leben in charkiw zerstörte und so die wesentlichen impulse der ukrainischen kultur ausrottete. die geschichte wiederholt sich: es fallen bomben auf universitäten, theater, konservatorien. etwa 200 bibliotheken wurden bereits zerstört und im mai eine druckerei, die die wichtigsten verlage belieferte: „als ich im juni auf der buchmesse in kyjiw die verkohlten überreste dieser bücher in den händen hielt, zitterten meine hände. die geistige kraft und zugleich physische verletzlichkeit eines buches ist überwältigend.“ diese erfahrung schilderte die in wien lebende autorin tanja maljartschuk jetzt an der universität regensburg, bei der eröffnung des „denkraums ukraine“, einem zentrum für interdisziplinäre ukraine-studien. hier soll die vernachlässigte forschung über dieses land und seine kultur endlich fahrt aufnehmen. „warten sie ab“, sagte maljartschuk hoffnungsfroh, „hören sie uns zu, reden sie mit uns.“ die verdienstvolle initiative der uni regensburg dürfte in der breiten öffentlichkeit kaum registriert werden und doch ist sie ein meilenstein für die ukraine, die nicht nur ihr territorium verteidigen muss, sondern auch ihr geistesleben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen