man stellt sich den künstler als ziemlich hippen, ziemlich wilden mann vor, der dauernd unterwegs ist, an tausend orten gleichzeitig, und ununterbrochen notizen macht (skizzenbuch? tablet?), weil ihn die ideen nur so überfallen. denn was guerreiro do divino amor (brasilianische mutter, schweizer vater) im schweizer pavillon an der biennale in venedig anrichtet, ist die attacke einer überbordenden phantasie, der helle wahnsinn. inhalt? die ganze schweiz in 19 minuten und 34 sekunden! eine rauschhafte abhandlung über unsere identität: das publikum liegt im kreis in einem planetarium, verschneite bergspitzen fliegen vorüber, das bundeshaus, eine fettleibige nackte auf einer schaukel (helvetias jüngere schwester oder heidi als erwachsene?), ein roulettetisch, sommarugas legendäre 1.august-ansprache, immer wieder banknoten, mal schleicht sich die wilhelm-tell-ouverture an. mit mitteln von telenovelas, science fiction, musicclips und viel künstlicher intelligenz stellt der künstler die nationalen mythen und klischees hemmungslos aus, hinterfragt sie tief- und abgründig und rückt sie im zweiten raum auch noch in die nähe des altrömischen grössenwahns. mit "il miracolo di helvetia" ist guerreiro do divino amor ein grosser wurf gelungen, seine opulente videoorgie hält uns den spiegel vor und enthüllt den anderen ("stranieri ovunque - foreigners everywhere" lautet das biennale-motto) unsere wahre seele. dieses helvetische panoptikum ist witzig und kritisch und kitschig - und sorgt für auffallend viel geschmunzel im publikum. "abbiamo bisogno di svizzera" flimmert's am ende quer durch den sternenhimmel. klar, es braucht sie. nur, welche schweiz?
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