Montag, 17. Juni 2024

ZÜRICH: DOS AND DON´TS

jakob schmid heisst jakob schmid, weil sein vater, jakob schmid, verhindern wollte, dass später einmal die stempel und drucksachen für die „jakob schmid herren- und kindermoden“ geändert werden müssen. nicht mal ein „jun.“ gönnte er dem sohn. ein name als sparmassnahme. er habe deshalb, erzählt der sohn, ein halbes leben lang das gefühl gehabt, er heisse „jakob schmid herren- und kindermoden“. wie soll man da zu einer eigenständigen persönlichkeit werden, einen individuellen weg finden? zusammen mit drei weiteren ü60, annette, beatrice und fred, steht jakob auf der bühne des theaters neumarkt. im rahmen der stückentwicklung „dos and don´ts“ erinnern sie sich an die sätze, die sie geprägt haben, die einengenden gefühle ihrer kindheit und jugend, die erwartungen. es sind oft traumatisierende erfahrungen: bettnässen („das machsch mer nie meh“), blutwurstessen („mer isst, was uf de tisch chond“), hippieröcke („so gosch mer ned us em huus“). „ich brauche grenzen“, sagt annette einmal, „bei uns gab es zu viele.“ das naturgemäss laientheaterhafte dieser übungsanlage bricht regisseur ron rosenberg gekonnt immer wieder, indem er den schwarzen tänzer challenge gumbodete, ensemblemitglied am neumarkt, im hautengen schwarzen und mit hellblauen crocs durch die szene streifen lässt, wie ein geheimnisvoller zauberer, ein wichtel zwischen nähe und distanz: mal säuselt er aus der ferne eine melancholische melodie, mal zwinkert er einer der seniorinnen zu, reicht einen joint oder flüstert gedankenverloren: „can we learn to live?“ was macht die rolle, die uns zugedacht wurde, mit uns – und was machen wir aus der rolle? als man sich als zuschauer gedanklich schon von der bühne zu entfernen und der eigenen biografie zuzuwenden beginnt, gibt uns der schwarze traumtänzer noch ein zart hingehauchtes „learn to forget“ mit auf den weg.

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