Donnerstag, 13. Juni 2024

LUZERN: HEMMIGE

mani matter scheint eine magnetische wirkung auszuüben, nach wie vor, denn so voll erlebte ich das luzerner theater lange nicht mehr. „hemmige“ heisst der abend, den der baselbieter choreograf muhammed kaltuk mit dem tanzensemble entwickelt hat, zu einer fulminanten tonspur von gabriel mareque, der zu den ohrwürmern, die uns alle seit der jugend begleiten, harte beats und dröhnendes cello mischt, laut, knallig, mani matter goes hiphop. viele im publikum schlucken dann erst mal leer, als auf der bühne zunächst ein haufen verkrüppelter gestalten tanzt, mit mechanisch-spastischen bewegungen, trostlos, hoffnungslos, endlos („dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit“). vom verschmitzt-sympathischen in den liedern bleibt hier wenig, kaltuk und mareque arbeiten sich zum kern vor, zu mani matters messerscharfen analysen der zustände: die kluft zwischen unterschiedlichen welten pusht ihre phantasie und damit auch die des publikums. mit ungebändigter energie liefert die tanztruppe einen permanenten kampf, sie hämmert und stampft, ein kampf zwischen gruppen, zwischen einzelnen. wer ausbrechen will, wer in eine andere welt vordringen will, hat kaum eine chance, auch kafka lässt grüssen. man sieht – hochemotional und hochexplosiv – den ausgeschlossenen, den geknechteten, den leidenden, den verlorenen menschen. das ist hardcore-mani-matter, das erinnert an eine passion und endet auch so: „und we me gseht, was hütt dr mönschheit droht, so gseht me würklech schwarz, nid nume rot, und was me no cha hoffen isch alei, dass sie hemmige hei.“ alle erstarren auf der bühne, black, schluss. uff! diese drastischen, düsteren choreografien könnte man sich bestens auch zu, beispielsweise, verdis requiem vorstellen. ein aufwühlender abgesang.

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