wo kann man sich für 135 franken wahlweise eine lungen- oder eine blasenentzündung holen? neun grad und regen versprechen die prognosen zum start des einsiedler welttheaters heute. die première findet statt. das klima auch. irgendwann wird der klimawandel vielleicht doch zu einem umdenken bei all den aufwändigen freilichtbespassungen führen, zu einer hinterfragung liebgewordener traditionen. das risiko für durchnässte, unterkühlte abende ist gross – und man hört in der ferne bereits das gejammer der veranstalter über klamme kassen. mein plan b: das welttheater, das lukas bärfuss fürs 100-jahr-jubiläum in einsiedeln verfasst hat, auf dem sofa lesen (rowohlt, 29.90). bärfuss denkt das barocke mysterienspiel von calderòn de la barca in saftiger mundart ins heute weiter; zu seiner mundart gehören auch permafrost und change management, downburst und crack. er konfrontiert zwei kinder, emanuela und pablo, mit den grossen fragen des lebens, es sind die selben wie vor 400 jahren: wer bin ich? wo gehöre ich hin? was ist meine rolle? die beiden begegnen den allegorischen figuren (vernunft, schönheit, reichtum) und die welt dreht sich um emanuela und pablo bis ihnen „ärdebodelos drümlig“ wird. der versuch, ein selbstbestimmtes leben zu führen, wird durch den lauf der dinge und seine zwänge immer wieder amputiert: „ds läbe isch nie was mir händ dänkt. und erscht wenn sie abgschpilt isch, verstönd mir eusi rolle.“ krieg und klima, ungerechtigkeit und utopie, das ganze spektrum fasst bärfuss in einen prallen und doch poetischen text, in dem – that´s real life – vieles ein mysterium bleibt: „d vernunft? die schlaft.“ nie wieder welttheater also? doch, doch. die einsiedlerinnen und einsiedler könnten ja zum beispiel statt vor auch in ihrer prächtigen kirche spielen. wäre gesünder, für sie und für uns.
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