Sonntag, 4. Oktober 2020

SUSCH: MUZEUM MIT Z

42 totenschädel, immer der gleiche, sorgfältig gebettet auf 42 halstüchern, alle quadratisch und alle anders bunt. diese 42 grossformatigen fotografien der polnischen künstlerin zofia kulik hängen, eng an eng und praktisch raumfüllend, im dachstock des muzeums in susch. inspiriert wurde kulik durch die kriegsgräuel in serbien einerseits und die weinenden witwen in ihren schals anderseits. auch wer das nicht weiss, wird hier von gefühlen und gedanken überwältigt. die 42 bilder machen den fensterlosen raum mit seinen groben dachbalken und dem schönen holzboden zu einer art modernem beinhaus. ein ort der kontemplation. genau dies – und nicht bloss ein weiterer pilgerort für kulturtouristinnen – schwebte der zeitweise im unterengadin lebenden polnischen unternehmerin und kunstsammlerin grazyna kulczyk vor, als sie die ehemaligen kloster- und brauereiräumlichkeiten am inn umbauen liess. die architekten schmidlin&voellmy bauten ihr aus verliesartigen kellerlöchern kunsträume, sprengten felsen weg, um mehr platz für grössere hallen zu gewinnen, liessen wände blendend weiss streichen und tageslicht aus dachluken darauf fallen, ein bistro und eine bibliothek laden mit viel warmem holz ein. das riesige raumlabyrinth in den alten gemäuern gewann so eine völlig neue, sagenhafte ausstrahlung. im januar 2019 konnte kulczyk ihr muzeum (polnisch mit z) eröffnen, es ist eine entdeckung und eine freude. neben den ortsspezifischen installationen (unter anderem ein marmorturm von not vital) will die mäzenin hier mit wechselausstellungen verstärkt kunst von frauen präsentieren und sich werken widmen, die zu wenig beachtung fanden oder falsch interpretiert wurden. immer wieder neue gründe also, um immer wieder mal nach susch zu fahren.

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