Donnerstag, 22. Oktober 2020

MÜNCHEN: JUROWSKI MIT WOZZECK

das also ist er. der neue. im herbst 2021 wird vladimir jurowski seine stelle als generalmusikdirektor an der bayerischen staatsoper antreten. und jetzt dirigiert der 48jährige russe hier eine serie von „wozzeck“-vorstellungen. nicht die erste visitenkarte, aber doch eine entscheidende. ausgesprochen zugewandt und elegant geht jurowski mit seinem künftigen orchester um, das coronabedingt reduziert ist und nicht im engen graben spielt, sondern mit viel platz und gut sichtbar zwischen parkett und bühne. äusserst präzis und plastisch führt er die musikerinnen und musiker durch die hochkomplexe ton-architektur alban bergs. das expressionistisch überzeichnete soziale und seelische drama vom gedemütigten anti-helden gewinnt glasklare, scharfe, oft unheimliche konturen. das korrespondiert hervorragend mit der doch bereits 12 jahre alten, bildstarken inszenierung von andreas kriegenburg, der wozzeck auf einer vollständig gefluteten bühne herumwaten lässt, als geschundene kreatur unter lauter gestalten wie aus einem grusel-stummfilm: „der mensch ist ein abgrund, es schwindelt einem. man könnte lust bekommen, sich aufzuhängen.“ der bariton simon keenlyside ist ein begnadeter sängerdarsteller, der diesem wozzeck, der zum mörder an seiner geliebten marie wird, alles nervöse, irritierte, verzweifelte, alles zutiefst menschliche gibt. auch anja kampe meistert ihr rollendebut als marie höchst überzeugend, in ihrer zerrissenheit zwischen den männern hoffnungslos gefangen. den heftigsten applaus allerdings gibt´s am schluss fürs orchester und den dirigenten. könnte also durchaus was werden mit jurowski. die liebe der münchnerinnen und münchner scheint bereits entfacht zu sein.

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