Dienstag, 29. November 2016

MÜNCHEN: LADY MACBETH VON MZENSK

katerina ismailowa ist eine mörderin. ihren lüsternen schwiegervater hat sie auf dem gewissen, ihren impotenten gatten und eine junge konkurrentin. die sympathien von dmitri schostakowitsch sind trotzdem auf ihrer seite: für diese „lady macbeth von mzensk“ (1934) schrieb er feine, weiche, überaus subtile melodien, zeigte die täterin als tragisches opfer der gesellschaftlichen zwänge. für ihr umfeld dagegen: wilde, wüste, groteske tonsequenzen, musik voller flüche und fürze, garstige russische provinz. ein kontrast, der stalins zensoren auf den plan rief und den dirigent kirill petrenko an der bayerischen staatsoper fantastisch herausarbeitet, mal drastisch, mal ganz plastisch, der orchestergraben ist das epizentrum dieser première. und anja kampe mit ihrem ausdrucksstarken sopran und ihrer aussergewöhnlichen bühnenpräsenz ist die traumbesetzung für diese katerina (zudem hat sie als ddr-kind russisch gelernt, ist also heimisch in dieser sprachwelt). sie zeigt eine frau, die furchtbar einsam ist und nach liebe lechzt; eine frau, die kämpft und nach verlorenem kampf den tod so sehr herbeisehnt wie zuvor die liebe. mit einem sprung in die „schwarzen wellen“ beendet sie ihr unglück – so verzweifelt springt sonst nur noch tosca. regie-altmeister harry kupfer widmet dieser katerina seine ganze aufmerksamkeit und entwickelt, als wollte er sich mit seinen 81 jahren noch für den „tatort“ bewerben, ein präzises und ergreifendes porträt. um sie herum aber arrangiert er in der abgefuckten industriehalle, die ihm hans schavernoch auf die bühne gebaut hat, durchaus konventionelle tableaux, die von den grossen russischen schwarz-weiss-klassikern inspiriert sind und auch vor schlichten klischees nicht zurückschrecken: sterbebeichte des schwiegervaters mit der wodkaflasche in der hand, plumpe arbeiter machen plumpe fick-pantomimen und polizisten sind sowieso dumpfbügel. szenisch also eine eher lauwarme veranstaltung, musikalisch eine sternstunde.

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