ungewohnte
tonarten, ungewohnte klangfarben, ungewohnte rhythmen. und doch wird sofort
klar: das ist grosse poesie. der chor armoni-ahenk und sein musikalischer
leiter ahmet kadri rizeli haben sich entschieden, im grossen konzertsaal der
münchner hochschule für musik und theater einen abend mit liedern von
türkischen komponistinnen zu veranstalten. ausschliesslich -innen, im sinn
einer späten ehre. denn durch die räumliche trennung von frauen und männern im
traditionellen islam entwickelte sich eine separate frauenkultur; bedeutendes
entstand in den nebenräumen der paläste und blieb vielfach unbemerkt,
unentdeckt. es sind lieder voller melancholie, die die sechs sängerinnen, fünf
sänger und sieben instrumentalisten (u.a. schossgeige und trapezzither) mit
viel empathie und sorgfalt vortragen. hier wird viel geweint, getrauert,
gehofft, gewartet. „von tag zu tag geht es mir schlechter“ – „ich bin der
kummervolle herbst“ – „ich bin so leidbeladen, dass ich in enttäuschung
versunken bin“ – diese kompositionen zielen und ziehen in die tiefe. angesichts
der aktuellen entwicklung in der türkei erscheint jede liedzeile doppeldeutig. im
publikum sitzen mehrheitlich deutschtürkinnen und –türken und mesut koç, der
türkische generalkonsul für münchen. die sehnsucht nach besseren zeiten, nach
neuen perspektiven ist im saal fast mit händen zu greifen, wenn esra içöz gegen
ende mit bebender stimme singt: „pek özledim o demleri – wie sehr ich diese
zeiten vermisse“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen