Mittwoch, 16. November 2016

LUGANO: MARCO SCORTI

auf den ersten blick: natur, wilde natur. auf den zweiten blick: versehrte natur. auf den ersten blick (aus distanz) meint man: fotografie. auf den zweiten blick (nahe dran) erkennt man: landschaftsmalerei, pixelgenau. marco scorti, 29, wuchs im malcantone auf, umgeben von düsteren wäldern, von schattigen talfurchen, von grenzen. das malt er, immer wieder. dieses jahr gewann scorti den renommierten manor-preis fürs tessin; deshalb widmet ihm das museo d’arte della svizzera italiana (masi) in lugano jetzt drei räume im untergrund. die haben es in sich. im ersten, fast putzig, 15 kleine formate, kaum grösser als a4, gouache auf karton. im zweiten und dritten dann riesendinger, drei auf sechs meter, jeweils zusammengefügt aus zwölf einzelteilen, acryl auf leinwand. auf den kleinen wie auf den grossen bildern: immer wieder wälder, diffuses licht, und immer wieder stimmt etwas nicht. mal sind es panzersperren, die die idylle stören; mal schleicht sich hinten eine schlammlawine von bedrohlicher farbe und form an; mal entdeckt man reste einer eingestürzten hütte und unnatürlich verbogene baumstämme. selbst ein gleissendes schneefeld hat etwas unheimliches, weil am rand einer eisfläche etwas oder jemand liegt, unscharf, nicht auszumachen. es ist wie meistens in den märchenwäldern: irgendwo wird irgendwer lauern. und plötzlich entdeckt man auf diesen bildern noch bleistiftnotizen: „hier muss es noch dunkler sein.“ noch dunkler. banale orte am rand der zivilisation geraten scorti so zu genialen vexierbildern, mysteriös und monströs. und der einzige mensch weit und breit ist: der verunsicherte betrachter. gefällt mir.

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