auf
den ersten blick: natur, wilde natur. auf den zweiten blick: versehrte natur. auf
den ersten blick (aus distanz) meint man: fotografie. auf den zweiten blick
(nahe dran) erkennt man: landschaftsmalerei, pixelgenau. marco scorti, 29,
wuchs im malcantone auf, umgeben von düsteren wäldern, von schattigen
talfurchen, von grenzen. das malt er, immer wieder. dieses jahr gewann scorti
den renommierten manor-preis fürs tessin; deshalb widmet ihm das museo d’arte della
svizzera italiana (masi) in lugano jetzt drei räume im untergrund. die haben es
in sich. im ersten, fast putzig, 15 kleine formate, kaum grösser als a4,
gouache auf karton. im zweiten und dritten dann riesendinger, drei auf sechs
meter, jeweils zusammengefügt aus zwölf einzelteilen, acryl auf leinwand. auf
den kleinen wie auf den grossen bildern: immer wieder wälder, diffuses licht,
und immer wieder stimmt etwas nicht. mal sind es panzersperren, die die idylle
stören; mal schleicht sich hinten eine schlammlawine von bedrohlicher farbe und
form an; mal entdeckt man reste einer eingestürzten hütte und unnatürlich
verbogene baumstämme. selbst ein gleissendes schneefeld hat etwas unheimliches,
weil am rand einer eisfläche etwas oder jemand liegt, unscharf, nicht
auszumachen. es ist wie meistens in den märchenwäldern: irgendwo wird irgendwer
lauern. und plötzlich entdeckt man auf diesen bildern noch bleistiftnotizen: „hier
muss es noch dunkler sein.“ noch dunkler. banale orte am rand der zivilisation
geraten scorti so zu genialen vexierbildern, mysteriös und monströs. und der
einzige mensch weit und breit ist: der verunsicherte betrachter. gefällt mir.
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