sassen sie schon einmal mit einer ihnen völlig unbekannten frau, die sich an sie anlehnte, in einem grossen, leeren, abgedunkelten kino, nur zu zweit? ich schon. dieses one-to-one-setting ist die grundlage für die performance „cinema impero“ von muna mussie im rahmen der mailänder triennale. ausgehend vom gleichnamigen art-déco-kino, das der italienische architekt mario messina während der kolonialzeit 1937 in asmara hinstellte, bewegt sich die italienisch-eritreische künstlerin mit filmischen mitteln auf den spuren ihrer doppelten identität. sie kombiniert sequenzen aus alten filmwochenschauen, als die italienischen faschisten eritrea terrorisierten und sich als erlöser feierten, mit privaten videos von ihren reisen in ihrer anderen heimat. zwischendurch spricht sie texte halblaut mit, zwischendurch schreit sie wütend der leinwand entgegen und immer wieder kommentiert eine ki-stimme die bilder. mussie arbeitet und leidet am krassen kontrast zwischen offizieller und privater geschichte, zwischen regime-propaganda und persönlicher wahrnehmung. und sie verweist mit ihrem wilden bilderreigen auf die eklatanten parallelen zwischen dem polit-marketing von einst und der künstlichen intelligenz heute: der mensch wird manipuliert, durch verfälschte geschichten und durch verfälschte bilder. als es wieder hell wird im saal, bin ich ganz allein, muna mussie sitzt nicht mehr neben mir. sucht diese frau halt in haltlosen zeiten, nähe, körperkontakt mit einem menschen mit einer ganz anderen identität? es bleibt offen – und es ist in keinem moment unangenehm oder peinlich. die mailänder triennale steht dieses jahr unter dem motto „disuguaglianze“ (ungleichheiten). muna mussies beitrag, acht mal am tag, ist ein intensives erlebnis, das den körper und den geist gleichermassen berührt.
Sehr treffend beschrieben, habe das sehr ähnlich erlebt und empfunden. Mussies Präsenz und Nähe schafft eine Eindringlichkeit, die anders nicht möglich wäre.
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