überall kartons, die ganze bühne in der kulturmühle horw ist vollgestellt damit, ein irrgarten aus steckkartons. dazwischen ein mann. es ist der berner schauspieler marco michel, er spielt das original chlöisu friedli, in einem eineinhalbstündigen solo. friedli lebte von 1949 bis 1981, war pianist, „brachte dem blues das berndeutsch bei“ (schöner als der flyer kann man das nicht sagen) – und er war psychisch krank. triggerwarnung, auch auf dem flyer: im stück wird suizid thematisiert. zu beginn von „chlöisu – die wirklichkeit ist nicht alles“ bewegt sich michel/friedli eine taschenlampe suchend zwischen den kartons. wann fing es an? wann begann diese angst, es komme nicht mehr gut? als bub will chlöisu unbedingt die taschenlampe in die badi mitnehmen, an einem strahlenden sommertag, „falls es plötzlich dunkel wird“. manchmal sind es nur sätze, manchmal längere episoden, die marco michel zu einem fesselnden porträt fügt, zur reise in eine innenwelt, in der es immer dunkler wurde. es ist ein aufwühlendes stück, das er aufgrund von chlöisu-zitaten und gesprächen mit angehörigen schrieb, er spielt auch den bruder, die gattin, den psychiater, alle ausgesprochen liebevoll, er switcht genial von rolle zu rolle, setzt sich ans klavier, spielt den sünneli-blues und den tscharni-blues, ein ganzes leben im eiltempo. und immer wieder diese kartons, er baut sie anders zusammen, als tisch, als mauer, dann wieder als labyrinth. dieses spiel mit den kartons lässt einen als zuschauer zunehmend nervös werden, es ist eine perfekte metapher für das zwanghafte, das unruhige seelenleben, die unordnung im kopf, in dem es immer lauter donnert. da steckt einer fest und kann nicht mehr weg. „wohäre geisch?“ wenn er das wüsste. „wohäre geisch?“ heisst chlöisu friedlis einzige cd, sein vermächtnis. wie viele originale war er ein philosoph des alltags, umwerfend träf: „schlussendlich glauben wir alle das gleiche. nämlich dass es stimmt.“ jedem seine wirklichkeit. was ist wirklich? und was bloss im kopf?
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