Freitag, 3. Oktober 2025

MÜNCHEN: WENN SCHAUSPIELER SINGEN

kaum eine schauspielinszenierung ist mehr zu erleben, wo nicht nach spätestens einer stunde die handlung stoppt, eine oder einer der mitwirkenden sich ein mikrofon packt und einen song von, sagen wir, gloria gaynor, tom waits oder zaho de zagazon in den raum stellt. schauspielerinnen (w/m/d) mutieren zu schausängerinnen (w/m/d). das ist mittlerweile so vorhersehbar und originell wie früher der einsatz von trockeneis oder das zertrümmern von monoblocks. erinnern sie sich? ob shakespeare oder kroetz oder schnitzler – es ging nicht, ohne dass jemand voller zorn so einen weissen plastikstuhl zertrümmerte, in den inszenierungen von frank castorf gleich dutzendweise. und jetzt also: an passenden und unpassenden stellen gesangseinlagen, die angesichts ihrer qualität oft eher peinlich berühren. als zuschauer wird man den verdacht nicht los, dass so ein solo einzig dazu dient, den restlichen mitwirkenden eine verschnaufpause von ihren textkaskaden und bewegungsorgien zu gönnen. eine singt, ob sie’s kann oder nicht, die anderen dürfen mal durchatmen. und jetzt die gute nachricht: an den schauspielschulen werden die künftigen bühnenstars für solche einlagen mittlerweile geschult, immerhin. aufs überzeugendste beweist dies jetzt der vierte jahrgang der renommierten otto-falckenberg-schule in münchen. unter dem titel „no direction home“ bieten die sechs frauen und fünf männer, die kurz vor dem abschluss stehen, einen exquisiten liederabend: mal nicht spielen, mal wirklich nur singen. und wie! am piano fabelhaft begleitet von ihrem musikdozenten heinz-peter lange liefern sie ein differenziertes setting von franz schubert bis nancy sinatra, prächtig-runde stimmen voller dynamik, optimal vorbereitet, sowohl deutsch wie englisch perfekt artikulierend, klagend, fordernd, mal fortissimo, mal ganz intim – und einfach: schön. das kommt gut.

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