Donnerstag, 25. Mai 2023

MÜNCHEN: ERFOLG

ein erstklassiges salonorchester versetzt uns im münchner residenztheater 100 jahre zurück. hübscher tingeltangel, doch die zeiten sind hart. dr. martin krüger, missliebiger museumsdirektor, wird nach einem politisch motivierten prozess eingesperrt. jetzt windet er sich in einer viel zu engen zelle; thiemo strutzenberger zeigt bewegt und bewegend diesen kampf zwischen ratten und wahn und dem wunsch nach büchern. drei jahre später, während denen freunde seine unschuld zu beweisen suchen, versagt sein herz in dieser zelle. mit über 100 figuren entwickelte lion feuchtwanger ein gigantisches panorama dieser drei jahre, der zeit des aufkeimenden nationalsozialismus: "erfolg" ist der grosse bayern-roman, je nach ausgabe 750 bis 900 seiten. er habe diesen stoff unterschätzt, sagte regisseur stefan bachmann (früher basel, jetzt köln, bald burgtheater) im vorfeld. ja, hat er tatsächlich. er reduziert das personal auf 14 figuren, die er vor trostlosen strassenlaternen recht künstlich an der rampe rezitieren lässt, monologe, lange monologe, dutzendweise. damit das nicht zu fad kommt, wird revuemässig aufgepeppt, mit tango und jodel, federboas und scherzchen. auf der drehbühne bewegt sich der bayrische menschenzoo in kantigen choreographien, die vom glockenspiel am marienplatz inspiriert sein dürften. viel dekorative oberfläche also, selbst das morbide glänzt hier, wichtiges dagegen wird nur hingetupft, rupert kutzner (das hitler-pendant im buch) gar ganz gestrichen. die frage, weshalb feuchtwanger trotz seinem scharfen blick auf die „wahrhaft deutschen“ das ausmass des desasters nicht voraussah, oder die frage, ob sich geschichte wiederholt, die bachmann laut programmheft auch interessiert – bleibt alles auf der strecke. trotzdem gibt's vom premièrenpublikum reichlich applaus. die innovative bayern-revue allerdings ist der ultimative bayern-roman hier nicht geworden.

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