irgendwie seltsam! man betrachtet die überaus präzisen holzschnitte von
félix vallotton und denkt sich, dass der künstler mittendrin war, selber subjekt
der dargestellten szenen oder zumindest ein am rand beteiligter: eine messerstecherei
aus nächster nähe, eine detonation im schützengraben gleich nebenan (aus der
serie „c’est la guerre“), ein ehedrama (serie „intimités“) oder die pralle lust
des pariser nachtlebens (serie „paris intense“), alles scharf beobachtet, alles
treffsicher wiedergegeben und ab und zu auch mit einem schuss ironie. und dann
liest man, irgendwo an der wand, diesen deprimierenden satz, den vallotton im
august 1918, da war er 53, in sein tagebuch schrieb: „es scheint, als sei ich
mein leben lang derjenige gewesen, der durch eine glasscheibe hindurch dem
leben zuschaut und selbst gar nicht lebt.“ der beobachter, der immer nur
beobachter bleibt, der das richtige leben nur von den anderen kennt. irgendwie seltsam.
immerhin führt diese irritation dazu, dass man sich vallottons illustrationen danach
noch einmal und genauer anschaut – und dazu gibt´s dieses jahr reichlich
gelegenheit. denn 2025 ist „année vallotton“, sein tod jährt sich zum 100. mal.
das museo castello san materno in ascona zeigt neben den legendären
holzschnitten auch akte, stilleben und landschaften, einen reichen schatz eines
vielseitigen menschen und künstlers. weitere ausstellungen gibt´s dieses jahr in
lausanne, wo vallotton geboren wurde, in vevey und in winterthur. und wenn man
das kleine museo in ascona dann mit viel vallotton im kopf verlässt, klingt
noch ein anderer satz aus seinem tagebuch nach: „mich dünkt, ich male für
ausgeglichene menschen, in deren tiefstem inneren sich ein bisschen laster
verbirgt.“ man geht in sich.
Montag, 19. Mai 2025
ASCONA: FÉLIX VALLOTTON
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