Montag, 19. Mai 2025

ASCONA: FÉLIX VALLOTTON

irgendwie seltsam! man betrachtet die überaus präzisen holzschnitte von félix vallotton und denkt sich, dass der künstler mittendrin war, selber subjekt der dargestellten szenen oder zumindest ein am rand beteiligter: eine messerstecherei aus nächster nähe, eine detonation im schützengraben gleich nebenan (aus der serie „c’est la guerre“), ein ehedrama (serie „intimités“) oder die pralle lust des pariser nachtlebens (serie „paris intense“), alles scharf beobachtet, alles treffsicher wiedergegeben und ab und zu auch mit einem schuss ironie. und dann liest man, irgendwo an der wand, diesen deprimierenden satz, den vallotton im august 1918, da war er 53, in sein tagebuch schrieb: „es scheint, als sei ich mein leben lang derjenige gewesen, der durch eine glasscheibe hindurch dem leben zuschaut und selbst gar nicht lebt.“ der beobachter, der immer nur beobachter bleibt, der das richtige leben nur von den anderen kennt. irgendwie seltsam. immerhin führt diese irritation dazu, dass man sich vallottons illustrationen danach noch einmal und genauer anschaut – und dazu gibt´s dieses jahr reichlich gelegenheit. denn 2025 ist „année vallotton“, sein tod jährt sich zum 100. mal. das museo castello san materno in ascona zeigt neben den legendären holzschnitten auch akte, stilleben und landschaften, einen reichen schatz eines vielseitigen menschen und künstlers. weitere ausstellungen gibt´s dieses jahr in lausanne, wo vallotton geboren wurde, in vevey und in winterthur. und wenn man das kleine museo in ascona dann mit viel vallotton im kopf verlässt, klingt noch ein anderer satz aus seinem tagebuch nach: „mich dünkt, ich male für ausgeglichene menschen, in deren tiefstem inneren sich ein bisschen laster verbirgt.“ man geht in sich. 

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