zwei stunden igor levit, das sind zwei stunden psychomotorik in höchster vollendung: die perfekte wechselwirkung von seele und körper wird hier sicht- und hörbar. bereits die klaviersonate as-dur op. 110 von beethoven, mit der er sein luzerner klavierfest im kkl einleitet, spielt levit unter vollem körpereinsatz, alles ist in bewegung, gefühle aus dem innersten durchwandern den ganzen körper, bevor sie zu musik werden, unschuldig, verzagt, schwermütig, hoffnungsfroh. bei den vier balladen op. 10 von brahms, das volle programm von zart bis hart, scheinen dann auch gleich noch sämtliche engel und dämonen, die dem komponisten vorschwebten, mit in die tasten zu greifen. schliesslich, als höhepunkt, liszts klavierbearbeitung von beethovens siebter sinfonie – und weil es liszts reiz und anspruch war, den ganzen reichtum an klangfarben, den ein orchester zu bieten hat, auch über dieses einzige instrument zu erschliessen, wird die interpretation für einen pianisten zur ultimativen herausforderung, einkehr und energie, reflexion und rausch gleichermassen. igor neigt den kopf über die tasten, igor wirft die hände in die luft, igor schwenkt das rechte bein unvermittelt richtung publikum, igor windet sich, igor schliesst die augen – das sind keine starallüren, der kerl ist zu sympathisch, das kann nur echt sein. und wenn man auch als zuhörer vorübergehend die augen schliesst, würde man wetten, dass da auf dem podium mindestens drei oder vier flügel gleichzeitig bearbeitet werden. den letzten satz, allegro con brio, spielt levit, als stünden ihm fünf dutzend finger zur verfügung, ein spektakulärer höllengalopp. vom himmel zur hölle und wieder zurück, direkt oder auf umwegen: zwei stunden igor levit, das ist eine einladung zur seelenwanderung, tiefster seelenwanderung unter kundiger leitung. das publikum dankt es ihm mit einer stormy ovation.
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