ein museumssaal füllt die weite bühne der staatsoper in hannover, grosse glaskuben, darin ringer, schützen, fechter, hürdenläuferinnen, gewichtheber - es sind die sportarten jener elf israelischen athleten, die beim olympia-attentat 1972 in münchen von palästinensischen terroristen getötet wurden. der opernchor ist das publikum, das durch diese ausstellung geschleust wird. "echo 72 - israel in münchen" heisst diese neue oper des schweizer komponisten michael wertmüller, roland schimmelpfennig schrieb das libretto, regisseurin lydia steier sieht es als "meditation über geschichte". das blutbad von damals wird in diesem museum durch corinna harfouch als tagesschausprecherin und idunnu münch als schwarzer engel in klagendem ton referiert, vom hochkarätigen ensemble dann aber poetisch-abstrakt reflektiert, als warnung vor hass in allen formen. plötzlich fallen schüsse zwischen den vitrinen, die erinnerung wird gleichsam durchsiebt, eine hinterhältige metapher fürs vergessen und verdrängen. wertmüllers komplexe komposition ist ein fiebertrip, den dirigent titus engel mit dem staatsorchester und drei jazzern von steamboat switzerland zu enormer wirkung entfaltet: ein surreales wimmern und pochen, immer schneller, immer lauter, eskalierende gewalt, wie eine schlinge, die sich zusammenzieht. diese partitur ist pessimismus pur. ein polizist stürzt immer wieder durch dieses chaos, futtert kekse und fummelt dauernd an einem nicht funktionierenden funkgerät, eine irre figur, völlig ideen- und tatenlos zwischen den horrorszenen. der tenor ziad nehme, der in dieser rolle virtuos zwischen brust- und kopfstimme switcht, steht für das versagen des deutschen staates damals - und für unsere überforderung und verzweiflung angesichts einer defekten welt. wie richard wagners düstere dramen endet "echo 72" dann überraschend in c-dur: ein funke hoffnung muss doch aufscheinen in diesen grotesken zeiten, irgendwann, irgendwo. oper kann bewegend sein. dranbleiben.
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