zwei pissrinnen stehen frontal zum publikum, einer kotzt da im halbdunkel, einer krümmt sich. so wissen wir gleich zu beginn, wo wir sind: ganz unten. flott geht’s zu in frau flotts schummriger container-bar, wo sich „minderleister“ mit vokuhila-frisuren und „muckibudenprinzen“ besaufen und falstaff mit harri flirtet, erst platonisch, dann handfest, willkommen im prekariat. von hier, von ganz unten erzählt der österreichische autor ewald palmetshofer shakespeares königsdrama „henry IV“ neu. der könig braucht einen nachfolger, doch sein sohn, kronprinz harri, verkehrt im falschen milieu. palmetshofer beamt das in die gegenwart, als panorama der toxischen verhältnisse in politik und gesellschaft. sein „sankt falstaff“ ist eine 170seitige sprachpartitur über auf- und absteiger, eine sprachlawine, ein lebenspralles und total überladenes sprachwunderwerk. so würde shakespeare heute klingen. regisseur alexander eisenach setzt das auf der riesigen drehbühne des residenztheaters so um, wie man es von einem castorf-jünger erwarten kann, viel trash, viel video, alle gefühle überdimensioniert – und mit grossartiger besetzung: steven scharf, der im vergangenen jahrzehnt an den kammerspielen für denkwürdige momente sorgte und jetzt zurückkehrt nach münchen, ist kein fettbäuchiger falstaff, sondern ein zarter und verletzlicher riese, ein liebenswürdiger und liebeshungriger looser, der mit den umständen hadert, ab und zu vom bier benebelt, meistens aber mit glasklarem blick, etwa wenn er seinem harri vorspielt, was er dessen vater sagen möchte, dem regierenden: „du hast den staat auf eine weise umgebaut, vor der mir graut, multiple krisen ausgenutzt, hast einen dauerkrisenzustand ausgerufen und dich selbst als einzge lösung dessen dargestellt.“ kennen wir doch. alle sympathien des autors liegen bei diesem falstaff, doch dem „sankt“ im titel zum trotz bleibt die heiligsprechung aus, er bleibt einer von unten – und nimmt sich das leben. enormer applaus bei der uraufführung.
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