Samstag, 23. November 2024

MÜNCHEN: BAUMEISTER SOLNESS

die geister der vergangenheit, sie klettern die wände hoch, steigen durch die fenster, stochern im nebel, überall röchelt, hechelt, wimmert es. felicitas bruckers inszenierung von ibsens „baumeister solness“ an den münchner kammerspielen führt sehr bildhaft vor, wie dieser mächtige mann, der seiner karriere alles geopfert und seine macht oft missbraucht hat, eingeholt wird von seinen erinnerungen und gequält von seinem gewissen. ein nervöses zucken erfasst thomas schmausers gesicht angesichts dieser schatten und schemen aus seinem privaten und beruflichen umfeld immer wieder, oft scheint sein kopf vor panik zu zerplatzen: „irgendwann kippt es, ich spüre es“, winselt er, dieser mann fürchtet sich zunehmend vor sich selber. und dann die frauen, die er ruiniert hat. ihnen gewährt die inszenierung mit starken ergänzenden texten von gerhild steinbuch mehr platz als ibsens original. solness‘ frau aline wurde an seiner seite zum seelischen wrack, katharina bach spielt sie als entleerte hülle, beängstigend in ihrer orientierungslosigkeit. die puppen ihrer jugend, die sie bei einem brand verloren hat, fehlen ihr mehr als ihre toten jungs. annika neugart als hilde wangel, die von solness als zwölfjährige einst geküsst und bedrängt wurde, irrlichtert zwischen der fassungslosigkeit über das geschehene und von ihm verdrängte und der ratlosigkeit, wie sie diesen mit der zeit immer grösser gewordenen dämon wieder schrumpfen kann. der expressionistische bühnenraum von viva schudt ist vollständig in das fast schmerzhafte rot-gelb getaucht, das man vom himmel bei edvard munchs „schrei“ kennt: der alltag als psycho-trip, alle suchen hier halt, doch alles bricht weg, die wände auf der bühne wackeln, kippen, verschwinden, da ist kein halt, am schluss bleibt ein grosser leerer schwarzer raum – und an der rampe aline und hilde, deren anklage sich, immer intensiver, immer lauter, steigert zum finalen aufschrei.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen