Freitag, 30. Juni 2023

ZÜRICH: EINFACH DAS ENDE DER WELT

familie, familie, familie, „das verworrenste spiegelkabinett menschlicher beziehungen überhaupt“ und einziges thema in jean-luc lagarces stück „einfach das ende der welt“ (1990). die inszenierung von christopher rüping ist seit über zwei jahren ein grosser erfolg am schauspielhaus zürich und wir haben´s erst zur dernière geschafft. erster teil: der 38jährige benjamin (ein phänomenal präsenter benjamin lillie) verwickelt das publikum in seine lebensgeschichte. dass er seit 12 jahren keinen kontakt mehr hat zu seiner familie, dass er nicht mehr lange zu leben hat und deshalb jetzt hinfahren will, um ihr das zu sagen. in der riesigen schiffbauhalle sind drei räume seines elternhauses originalgetreu nachgebaut: bravo-hits, ein zerfetzter teddy, schwemmholz-souvenirs der mutter – nichts fehlt. zu immer dröhnenderem schlagzeugsound schleicht lillie, mit einer videokamera liebevoll auf dutzenden von details verweilend, minutenlang durch dieses chaos. alles ist emotional aufgeladen und: es ist nicht die gegenwart, sondern erinnerung. pause. zweiter teil: die räume sind abgebaut, nix ist wie früher, die halle ist leer. ideale voraussetzung für eine knallharte familienaufstellung. mit einem hervorragenden ensemble (ulrike krumbiegel als mutter, wiebke mollenhauer als schwester, nils kahnwald als bruder, maja beckmann als schwägerin) arrangiert regisseur rüping ein subtiles game von anziehung und abstossung, von smalltalk und sprachlosigkeit, einen versuch, altes und neues leben zu ordnen, die leere dieser halle und dieser beziehungen irgendwie zu überwinden. wer hasst wen? wer versteht wen falsch? versteht überhaupt jemand die anderen? weshalb meinen wir unsere nächsten zu kennen? den grund, weshalb er zurückkam, bringt benjamin fast nicht über die lippen. vor tiefrotem horizont tanzen die figuren wie schatten ins finale. party? traum? albtraum? ein ebenso abgründiger wie anregender abend. 

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