familie,
familie, familie, „das verworrenste spiegelkabinett menschlicher beziehungen
überhaupt“ und einziges thema in jean-luc lagarces stück „einfach das ende
der welt“ (1990). die inszenierung von christopher rüping ist seit über zwei
jahren ein grosser erfolg am schauspielhaus zürich und wir haben´s erst zur
dernière geschafft. erster teil: der 38jährige benjamin (ein phänomenal
präsenter benjamin lillie) verwickelt das publikum in seine lebensgeschichte. dass
er seit 12 jahren keinen kontakt mehr hat zu seiner familie, dass er nicht mehr
lange zu leben hat und deshalb jetzt hinfahren will, um ihr das zu sagen. in
der riesigen schiffbauhalle sind drei räume seines elternhauses originalgetreu
nachgebaut: bravo-hits, ein zerfetzter teddy, schwemmholz-souvenirs der mutter –
nichts fehlt. zu immer dröhnenderem schlagzeugsound schleicht lillie, mit einer
videokamera liebevoll auf dutzenden von details verweilend, minutenlang durch
dieses chaos. alles ist emotional aufgeladen und: es ist nicht die gegenwart,
sondern erinnerung. pause. zweiter teil: die räume sind abgebaut, nix ist wie
früher, die halle ist leer. ideale voraussetzung für eine knallharte familienaufstellung.
mit einem hervorragenden ensemble (ulrike krumbiegel als mutter, wiebke
mollenhauer als schwester, nils kahnwald als bruder, maja beckmann als
schwägerin) arrangiert regisseur rüping ein subtiles game von anziehung und
abstossung, von smalltalk und sprachlosigkeit, einen versuch, altes und neues
leben zu ordnen, die leere dieser halle und dieser beziehungen irgendwie zu
überwinden. wer hasst wen? wer versteht wen falsch? versteht überhaupt jemand
die anderen? weshalb meinen wir unsere nächsten zu kennen? den grund, weshalb
er zurückkam, bringt benjamin fast nicht über die lippen. vor tiefrotem
horizont tanzen die figuren wie schatten ins finale. party? traum? albtraum? ein
ebenso abgründiger wie anregender abend.
Freitag, 30. Juni 2023
ZÜRICH: EINFACH DAS ENDE DER WELT
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