gleich die grosse irritation, als sich der vorhang der scala für antonin dvoraks „rusalka" hebt: gotisches gemäuer, von efeu überwuchert, durch die fensterrosette fällt fahles mondlicht auf einen teich, darin und drumrum nixen, elfen, feen in pinkfarbenen kostümen, pink in überdosis – sind wir bei disney gelandet? in einem fantasy-musical? die sizilianische regisseurin emma dante in mailand jetzt voll auf der kitsch-schiene? genüsslich badet sie in sämtlichen klischees, um die geschichte der nixe rusalka zu erzählen, die sich in der liebe zu einem prinzen verzehrt und deshalb mensch werden will. doch dante wäre nicht dante, wenn sie die romantische idylle nicht aufbrechen würde: das märchen wird zum psychodrama, alle schichten der sehnsüchte und ängste dieser jungen frau werden freigelegt. menschen reissen dem wasserwesen die tentakeln aus und beginnen übergriffig daran rumzuknabbern, das viele rosa weicht immer wieder blutigem rot, es sind albtraumartige bilder. die ukrainische sopranistin olga bezsmertna ist eine brillante besetzung für diese zwischen grösster liebe und einsamkeit schwankende frau; schwankend auch im wörtlichen sinn, wenn sie, hochgezogen von einem überdimensionierten angelhaken, auf ihren beinchen stakselnd erste schritte zu gehen versucht (was für eine reine seele, was für eine unsicherheit!). bezsmertnas stimme bringt den ganzen farbenreichtum vom erwachenden trieb bis zur tiefsten traurigkeit aufs schönste zur geltung, getragen von einem wunderbar warmen und transparenten klang des orchesters, das tomás hanuš dirigiert. dmitry korchak mit strahlendem tenor als prinz, jongmin park als wassermann und okka von der damerau als magierin ježibaba komplettieren das hochkarätige ensemble. im rollstuhl wird rusalka zu beginn auf die bühne und beim finale wieder weggefahren. dieser romantische horror also bloss der traum einer jungen frau mit körperlichen handicaps? scala goes freud.
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