Montag, 9. Januar 2023

MÜNCHEN: DAS VERMÄCHTNIS

am anfang erzählt einer, wie er auf einer party meryl streeps hund vollgekotzt hat. ein anderer erzählt, wie er zu beginn der hiv-epidemie von einer beerdigung zur nächsten zog. und noch einer erzählt und noch einer. 11 darsteller spielen in matthew lopez‘ bühnenepos „das vermächtnis“ 34 männer. wir sind mittendrin in der new yorker gay-community vor und nach der wahl trumps, es geht drunter und drüber. sechs (!) stunden lang wird – drehbühne sei dank – in chicen appartements gevögelt, in tollen restaurants gegessen, in clubs rumgemacht, in kellerlöchern mit drogen gehandelt, in geschmacklosen villen bissig diskutiert, an stränden geturtelt, in einsamen landhäusern geheult: „der einzige weg, ein gebrochenes herz zu heilen, ist zu riskieren, dass es wieder bricht.“ die inszenierung von philipp stölzl am münchner residenztheater verbindet politische und persönliche episoden, amüsante und traurige, zu einem rasanten gesellschaftspanorama: ein eindrücklicher marathon durch die geschichte und die geschichten der schwulenbewegung, ein marathon zwischen überbordender lust und todesangst, nicht immer ganz kitschfrei. im zentrum stehen der introvertierte eric (thiemo strutzenberger, ein bisschen arg nuschelnd) und sein extrovertierter lebensabschnittspartner toby (moritz von treuenfels), die als paar nicht klar kommen und mit dem vermächtnis aus freiheit und schmerz, das ihnen vorherige generationen hinterlassen haben, ganz unterschiedlich umgehen. toby scheitert an dieser grossen freiheit, die da plötzlich möglich wurde, eric verzweifelt an der mangelnden solidarität in der community, dass sich aus und nach dem begehren nicht mehr entwickelt. es dreht sich viel um sex in diesem stück. und noch mehr um gefühle, echte und falsche und verpasste, um leere und um utopien. das publikum lässt sich mitreissen von diesem strom der emotionen, es verabschiedet das ensemble mit standing ovations. 

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