Sonntag, 15. Januar 2023

LEIPZIG: ROMEO STATT RATTEN

eigentlich hätte ich mir am schauspiel leipzig die bühnenfassung von „die rättin“ anschauen wollen, günter grass‘ roman über das ende der menschheit. doch das ende der menschheit fand wegen erkrankung im ensemble nicht statt. ersatzprogramm: „romeo und julia“. henusode. julia statt rättinnen, romeo statt ratten. ein sieben meter hoher pinker gummi-teddy sitzt dominant auf der bühne, er dient als kletterburg und sexspielzeug gleichermassen. auf und mit diesem toy lässt regisseurin pia richter drei schauspielerinnen und vier schauspieler sieben julias und sieben romeos spielen, alle mit platinblondem pagenschnitt (na klar, das genderfluide muss schliesslich auch mit rein). shakespeares originaltext taucht immer wieder auf, vor allem aber sollen die sieben die kontraste im beziehungsverhalten von einst und von heute herausarbeiten. also werden laufend texte aus dating-apps reinmontiert und rumgebrüllt. nicht ganz überraschendes fazit: früher lief’s radikaler, heute läuft’s hektischer. man wird den verdacht nicht los, dass diese übungsanlage auch dem nicht mehr ganz jungen ensemble doch eher peinlich ist. irgendwann fällt das zitat von literaturnobelpreisträgerin toni morrison: „die romantische liebe ist die zerstörerischste idee in der geschichte des menschlichen denkens.“ das hätte eigentlich völlig genügt. doch pia richter reichert das ganze auch noch mit den abgelutschtesten regieeinfällen an: bisschen drehbühne, bisschen trockeneis, bisschen stroboskop plus die handelsüblichen zwei, drei songs. huch, hach, gähn – noch selten so oft auf die uhr geschaut im theater. 

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