Dienstag, 17. Januar 2023

ALANYA: AFTERSUN

ein film! und was für einer! irgendwie total unspektakulär: calum (31) und sophie (11) verbringen ein paar all-inclusive-ferientage an der türkischen riviera. sie essen eis, schnorcheln im meer, spielen billard, fahren zu sehenswürdigkeiten, reden viel und herzlich. ein unbeschwerter urlaub. paul mescal und frankie corio kriegen diese vater-tochter-beziehung auf augenhöhe ganz meisterhaft hin. unspektakulär? unbeschwert? viele jahre später schaut sich sophie die aufnahmen an, die sie damals mit ihrem camcorder machte – und wir schauen mit. mit zunehmender faszination, denn „aftersun“ von charlotte wells ist anders als andere filme: die vielen episoden werden nicht zu einer geschichte gereiht, sondern bleiben episoden, die weder sophies erinnerung noch unsere phantasie zu einem fassbaren ganzen runden können. ein film, der unter der sommerlich-leichten oberfläche aus lauter inhaltlichen unschärfen besteht. warum reagiert calum so einsilbig, als sophie ihn nach seinem elften geburtstag fragt? ist es der vater, der unten im innenhof den tauchlehrer küsst? woher kommt plötzlich die wunde an seiner schulter? warum wird er im teppichbazar so nachdenklich? turnt er bloss auf der balkonbrüstung oder springt er? warum weint er verzweifelt auf der bettkante? warum telefoniert er so herzlich mit der ex – oder ist es gar nicht die ex? warum wirft er sich mitten in der nacht ins meer? warum verabschiedet er sich am flughafen? sophie fragt sich, ob ihr damals etwas entgangen ist, immer wieder. und wo ist der vater jetzt? das spektakuläre an diesem film ist die unschärfe, das unvollständige, das ungewisse. „aftersun“ ist ein meisterwerk über das erinnern – und garantiert sieht jede zuschauerin, jeder zuschauer einen anderen film. tiefseelentauchen.

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