Sonntag, 12. Dezember 2021

LUZERN: INGLIN 2021

und bereits wieder zentralschweizer literatur… „was macht den kerl so interessant, dass er nicht verschwindet?“ fragte peter von matt einmal. der kerl war der schwyzer meinrad inglin, der als realschüler mit 14 beschloss, schriftsteller zu werden, ein leben lang fast ausschliesslich und hart daran arbeitete („mir rutscht nur wenig so in die feder, wie ich es endgültig gesagt haben möchte“) und zu dessen 50. todestag jetzt eine musikalisch umrahmte lesung durch die gegend tourt: „inglin 2021 – der unbekannte bekannte“. man kennt seine romane dem titel nach, gelesen haben sie die wenigsten. es sei denn, man habe zum beispiel – wie ich – als gymnasiast für den deutschunterricht einen vortrag zu inglins „urwang“ verfasst (oder verfassen müssen?), den 1954 erschienenen ersten schweizer öko-roman, oder als junger radio-redaktor – wie abermals ich - eine sendung zu seinem 100. geburtstag 1993. viele, die ihn nicht gelesen haben, halten inglin für trocken und lassen ihn beiseite. mit ihrer lesung von erzählungen und gedichten beweisen die schauspieler sigi arnold, andri schenardi, karin wirthner, peter zimmermann und die cellistin fatima dunn jetzt höchst abwechslungsreich und kurzweilig, dass die vorurteile nicht stimmen, dass meinrad inglin farbigste figuren zu zeichnen vermochte und die humorfreie zone durchaus immer wieder verliess. im „begräbnis eines schirmflickers“ etwa, wo die behörden zweier nachbargemeinden einen erfrorenen armen schlucker über die verschneite grenze heimlich hin und her schieben, um sich nicht um ihn kümmern zu müssen – bis in seinem kittel plötzlich ein couvert mit einem testament auftaucht. das ist satire und präziseste beobachtung liederlicher lokalpolitiker. das macht den kerl so interessant, peter von matt gab sich die antwort selber: „ein eminent sinnlicher, plastisch schildernder autor.“

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