Samstag, 28. September 2019

LUZERN: DER BESUCH DER ALTEN DAME

der leichensack mit dem toten alfred ill liegt gleich am anfang schon vor uns. claire zachanassian, der dürrenmattsche racheengel, hat ihr ziel erreicht. sie lässt das ergebnis noch filmisch dokumentieren, und dann weg mit ihm. "der besuch der alten dame" beginnt am luzerner theater mit seinem ende: güllen bekommt seine milliarde, die alte ihren toten peiniger. das griechische regie-duo angeliki papoulia und christos passalis hat in der vergangenen saison mit einer wunderbar geheimnisvollen und bildstarken "alkestis" sein flair für schwere stoffe, für menschliche abgründe bewiesen. na dann lassen wir die zwei doch aus der güllen-komödie eine griechische tragödie basteln, mag man sich im theater gesagt haben. das war keine gute idee. die griechen erzählen die geschichte retour, inspiriert vom film noir, rückblende auf rückblende, was dem spannungsbogen nur abträglich ist, vieles gerät lähmend langatmig. güllen ist hier eine art treib- und triebhaus, hinter plastikfolien wird intrigiert, hinter plastikfolien wird gemetzelt, hinter plastikfolien wird das intrigieren und das metzeln gefilmt - und ja, zwischendurch verirren sich auch mal ein paar nach vorne auf die bühne, wo sie dann viel in megaphone brüllen, lärm, chaos. die verführbarkeit der masse bleibt so reine behauptung, nachvollziehbar ist sie nicht. flach auch die hauptfiguren: tatort-kommissarin delia mayer geht als zachanassian jede durchtriebenheit und kälte ab, christian baus als bürgermeister kommt über klischees kaum hinaus. da wird zum glück noch der echte luzerner stadtpräsident eingeblendet, der über den zunehmenden gemeinschaftshemmenden individualismus sinnieren darf. auch kein hammer, aber wenigstens authentisch.

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