Mittwoch, 18. September 2019

NÜRNBERG: JOANA MALLWITZ PROBT DON CARLOS

durchs band euphorisch wird joana mallwitz von leuten beschrieben, die mit ihr zusammenarbeiten oder schon eines ihrer dirigate erlebt haben. superlative noch und noch. und bereits auch vergleiche mit karajan oder petrenko. dabei ist die generalmusikdirektorin am staatstheater nürnberg gerade mal 33 jahre alt. man darf also gespannt sein – und nutzt deshalb gerne die gelegenheit, im rahmen einer öffentlichen probe im opernhaus zu besichtigen, wie frau mallwitz arbeitet. was als erstes auffällt: sie fällt zunächst gar nicht auf, keine allüren, nix, die schlanke frau mit den kurzen blonden haaren und den langen armen könnte auch die violinistin aus der dritten reihe sein. was als zweites auffällt, wenn sie dann loslegt: ihr körpereinsatz, voller körpereinsatz, totaler körpereinsatz. sie dirigiert nicht nur mit den händen, den armen, den augen, sie ist dermassen in bewegung, tanzend, springend, dass das podest beinahe zu klein wird. auch dieser körpereinsatz ist weder allüre noch show, nein, joana mallwitz nimmt das orchester und die solisten auf diese weise mit, hinein in einen strudel, das ist kein musiktheoretischer ansatz, das ist ihre form von kommunikation, das ist physische aktion, das ist energie pur, die funken schlägt. wir sind bei verdi, „don carlos“, vierter akt, ein dunkler moment: zwei bässe sind auf der bühne, der einsame spanische könig philipp (nicolai karnolsky) und der eiskalte grossinquisitor (taras konoshchenko), der ihm rät, seinen sohn carlos aus dem weg zu räumen. was bei anderen dirigenten oft zu wohligem schaudern führt, gestaltet die mallwitz mit ihrer körpersprache zu einem ebenso düsteren wie explosiven polit-krimi. atemberaubend.

(einen tag nach diesem post wurde joana mallwitz in der kritikerumfrage des fachmagazins "opernwelt" zur DIRIGENTIN DES JAHRES gewählt)

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