am
22.juli lähmte der 18jährige david s. mit seinem amoklauf diese stadt für eine
lange nacht. wir waren in unserer wohnung an jenem abend. wir hörten
stundenlang die polizeisirenen aus allen richtungen, waren permanent online,
hatten ein mulmiges gefühl, aber keine unmittelbare angst. anders als die
zehntausenden in der innenstadt. anders als wiebke puls, die mit ihren zwei
kindern im theater sass. anders als dejan bućin, der in der fussgängerzone socken kaufte,
als die panik um sich griff. mit diesen beiden und drei weiteren schauspielern
entwickelt yael ronen an den münchner kammerspielen die performance „point of
no return“ über die massen- und individualpsychologische dynamik nach dem
amoklauf, über horror und hysterie. ganz nach dem motto: rede drüber, es wird
dir gut tun. die bühne ist ein voll verspiegelter raum, der steil zum publikum
abfällt (wieviele arg schiefe ebenen müssen wir uns noch angucken, wenn regisseurin und bühnenbildner uns sagen wollen, wie sehr die welt doch aus den fugen ist?). hier verarbeiten die fünf, meist angeseilt, ihre erlebnisse. sie geben
ihre enttäuschung preis, dass es „nur“ ein amoklauf war und kein
terroranschlag; sie stellen in einer choreografie des grauens die opfer am
boden des olympia-einkaufszentrums nach; sie tauschen aus, wie sie selber den
tollsten theatertod starben; sie wollen von kollegin jelena kuljić wissen, wie
weit sie an jenem juli-abend von ihrem serbien-trauma eingeholt wurde; ja, und
niels bormann erzählt, wie er sich die freude an der fischsuppe in der
theaterkantine nicht nehmen liess. das ist grotesk und oft grenzwertig – und sehr
selten: berührend. ein
bunter abend, das
publikum lacht befreit und applaudiert üppig. das therapeutische ziel, immerhin, scheint also erreicht.
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