Montag, 24. Oktober 2016

MÜNCHEN: LA JUIVE

heavy. es wimmelt von religiösen fanatikern. mal richten sie mit erhobenen armen ihren verklärten blick gen himmel, mal klammern sie sich übertrieben an ihren gebetbüchern fest, mal wedeln sie scheinheilig mit ihren friedenszweigen, um kurz danach mit denselben zweigen ihre gegner auszupeitschen und dazu hässliche parolen zu schreien. lauter eiferer und geiferer. „la juive“ von fromental halévy (1835) spielt in konstanz zur zeit des dortigen konzils (1414); vor dem hintergrund einer politisch und religiös schwer irritierten zeit erzählt die oper die unmögliche liebesgeschichte zwischen der jüdin rachel, die in wirklichkeit eine christin ist, und dem christen léopold, der sich ihr zuliebe als jude ausgibt. missverständnisse führen zu rache, rache führt zum tod. die gewaltige mauer quer über die ganze bühne ist keine klagemauer und bietet keinen schutz, nein, sie wirkt in ihren metallenen farben abweisend und bedrohlich, ein überdeutliches sinnbild für die mauern und den hass in den köpfen. neben den beängstigenden massenszenen gelingen regisseur calixto bieito und dirigent bertrand de billy an der bayerischen staatsoper eindrückliche zeitlose einzelporträts – dank einem hochkarätigen ensemble: aleksandra kurzak als rachel, zerrissen von ihren gefühlen, heimatlos in ihrem glauben; roberto alagna als jüdischer goldschmied éléazar, warmherzig als ihr vermeintlicher vater, unerbittlich im kampf der konfessionen; schliesslich ante jerkunica als kardinal brogni, rachels wirklicher vater – er ist die eigentliche entdeckung des abends, der kroate verfügt über einen bass von beeindruckender fülle und subtilität. was bleibt, ist der nachhall dieser schwermütigen musik und das dunkel dieser monströsen mauer. ein mahnmal.

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