Sonntag, 30. Oktober 2016

MÜNCHEN: HADJITHOMAS/JOREIGE

im abgedunkelten treppenaufgang zur ausstellung „two suns in a sunset“ im haus der kunst empfängt ein babylonisches stimmengewirr den gast: 20 bildschirme, 20 gesichter, 20 geschichten, die erzählt werden (es sind die erfundenen geschichten aus betrügerischen spam-mails). vielstimmig wie dieses intro ist die ganze ausstellung des libanesischen künstlerpaars joana hadjithomas und khalil joreige. die beiden experimentieren mit bildern, videos, objekten, archivmaterial. mit anderen mitteln als journalistinnen und historiker nehmen sie eine chronistenpflicht wahr, spüren mit aussergewöhnlicher empathie den geschichten einzelner nach und fügen sie zu einem bigger picture. oft stehen die bilder im zentrum (prächtige schwarz-weiss-aufnahmen von phantasievollen objekten, die sich bei genauerem hinschauen als zerbombte strassenlaternen entpuppen), oft aber auch die abwesenheit von bildern (menschen, die ihre lager- und foltererlebnisse während dem libanesischen bürgerkrieg 1975-1990 zaghaft in worte zu fassen versuchen). in einem 50-minuten-film reist hadjithomas nach izmir, das ehemalige smyrna, und schaut sich die bilder dieser reise dann gemeinsam mit der betagten malerin und dichterin etel adnan an; die familien beider frauen waren nach dem ende des osmanischen reiches aus der stadt vertrieben worden und sind nie wieder zurückgekehrt. diese annäherung nach jahrzehnten ist eine behutsame etude über zugehörigkeit. so disparat all diese zugänge zu einer chaotischen welt sind, so sehr entwickeln sie eine durchaus nicht nur pessimistische kraft: politik und poesie schliessen sich nicht aus, sie könnten sich bereichern.

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