Montag, 24. Februar 2014

LUZERN: CARMEN ALS TELENOVELA

achtung: keine stierkampfarena, keine tabakfabrik, keine pittoresken gassen! für die neue „carmen“ am luzerner theater genügt dem bühnenbildner rainer sellmaier ein einziger schauplatz: das hässlichste hotelzimmer von sevilla, mit hellblauem kunstledersofa auf rosa spannteppich und ausgestopftem stier über dem flachbildschirm. alles klar, „carmen“ wird hier als telenovela gegeben, des spaniers liebste abendunterhaltung. regisseur tobias kratzer widmet sich also weniger den grossen gefühlen und vielmehr den niederen instinkten. die carmen von carolyn dobbin ist eine blondine mit verrutschter schwarzer reizwäsche unter dem weissen bademantel, der don josé von carlo jung-heyk cho ein notgeiler, gewalttätiger deserteur. das ist einerseits ziemlich gewöhnungsbedürftig und andererseits bei einer oper, die man schon dutzendfach gesehen hat, ein echter hingucker, der neue konstellationen zwischen den figuren entdecken lässt und neue fragen aufwirft, zum beispiel immer wieder die, wer hier eigentlich wen provoziert. man bekommt also eine ziemlich oberflächliche geschichte serviert und blickt plötzlich tiefer als in all den handelsüblichen carmen-inszenierungen zuvor. der chor ist auf der vorbühne platziert als soap-publikum, das den strudel der leidenschaften mitverfolgt, mitfiebert und mitleidet - und ganz wesentlich zur musikalischen präsenz des abends beiträgt, der von howard arman dirigiert wird. schliesslich wirft auch das finale die alten sehgewohnheiten über den haufen: nicht don josé bringt carmen aus eifersucht um, sondern sie selbst erschiesst sich aus verzweiflung und innerer zerrissenheit. durchaus plausibel; hätte man auch schon früher drauf kommen können.

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