Samstag, 17. Mai 2025

LUZERN: DAS LETZTE EINHORN

majestätische bäume, geschwungene wege, atemberaubende aussicht: der park auf dreilinden ist mit 35´000 quadratmetern der grösste in der stadt luzern und der schönste. in dieser idyllischen szenerie spielt das sturzballett jetzt „das letzte einhorn“, als teil des grossen kultur-marathons „schön?!.“ der albert-koechlin-stiftung. die geschichte des fabelwesens, das die menschen bezaubert und verzaubert und einige auch irre werden lässt, wird hier zu einem parkbummel mit theater und tanz, das publikum und die beiden live-musiker adrian vela young und stefan haas begleiten das einhorn bei seinen begegnungen: der zauberer, die hexe, der prinz, die räuberbraut, der könig werden hier zu besonders bunten figuren, denn das sturzballett ist ein inklusives ensemble („unsere körper sind ungleich, unsere geister verschieden“). fanny zihlmann und daniel korber, das regieteam, entwickeln mit dieser tollen truppe und der naturkulisse betörende bilder, die im gegensatz zum berühmten trickfilm von 1982 frei sind von jedem oberflächlichen kitsch. da lösen sich aus dem grünen vorhang, den die gigantische trauerweide bis zum rasen fallen lässt, plötzlich zehn einhörner, alle in weissen kostümen, alle auf weissen velos. da verfolgt der rote stier auf seinem hightech-rollstuhl das einhorn über die parkhügel und hinterlässt gewaltige bengalische rauchschwaden. da entschwindet, als das einhorn zum menschen wird, sein rad wie von zauberhand in den nachthimmel. dieser spaziergang voller symbolik und magie endet vor der märchenhaft beleuchteten konsi-villa und über den lichtern der stadt. was ist schön? was ist echt? wo liegen die grenzen der wirklichkeit? die realität ist für diejenigen, die ihre träume nicht aushalten: diese inszenierung ist ein fest der phantasie, ein fest der poesie – und eine liebeserklärung an diesen prachtvollen park.

Dienstag, 13. Mai 2025

STANS: HEIMAT

heimat I:
„heimat ist dort, wo es nicht egal ist, dass es dich gibt.“ (harald welzer, deutscher soziologe und sozialpsychologe)

heimat II:
„heimat ist, wo dummheit mich am meisten ärgert.“ (frauensynode.ch)

heimat III:
„unsere heimat ist die schweiz, aber die heimat der schweiz ist europa.“ (peter von matt, literaturwissenschaftler und schriftsteller, der heute in stans zu grabe getragen wird)

 

Donnerstag, 8. Mai 2025

MÜNCHEN: WAS IHR WOLLT

eine kinderstimme aus dem off fasst den inhalt von shakespeares „was ihr wollt“ wie ein märchen zusammen, wer wen liebt, wer wen warum nicht bekommt, die ganze verwirrung kurz und knapp und allerliebst. worauf svetlana belesova als narr die bühne der münchner kammerspiele betritt und über unser aussichtsloses unterfangen philosophiert, den wirbelstürmen der gefühle herr zu werden. dann legen sie los, als klone von andy warhols ikonischer marilyn sitzen männlein und weiblein – ein bild für die götter – mit giftgelben perücken und smaragdgrünen lidschatten vor ihren schminktischen und spiegeln, schliesslich geht es ums spiel mit maskeraden und fassaden. zu barockarien (konserve) und popschnulzen (live) suchen sie ihre kostüme und ihre rollen, zelebrieren ihre ichbezogenheit, verlieben sich in die falschen, erscheinen auch mal im anderen geschlecht, legen allesamt furiose soli der verzweiflung hin und lassen reichlich tränen fliessen: „ich wünschte, du wärst, wie ich dich wünsche.“ es ist ja so kompliziert. ganz trocken bemerkt dazu der narr, der hier eine glatzköpfige närrin ist, wie sehr wir die anderen und uns selber immer wieder täuschen, „wie leicht die falsche seite nach aussen gekehrt werden kann“. der belgischen regisseurin lies pauwels gelingt mit dem hochklassigen ensemble eine spektakuläre shakespeare-show mit grossen effekten und kleinen kabinettstückchen, die nie ausser acht lässt, welch tiefe abgründe auch in seinen komödien stecken. wer sind wir, was spielen wir und was überspielen wir? „was denken sie, wenn sie mich zum ersten mal sehen“, fragt der einigermassen massige martin weigel einmal direkt ins publikum: „metzger? türsteher? möbelpacker?“ shakespeare schärft unseren blick. dieses spektakel ist eine ausgesprochen süffige anleitung für die nicht ganz einfache aufgabe, sich selber auf die schliche zu kommen. beim stürmischen schlussapplaus umarmt die regisseurin jede und jeden einzelnen. kommt selten vor, passt hier prima.