ein in die jahre gekommener hamburger
punkrocker versucht sich auffällig lustvoll an türk pop, tänzer von der côte d’ivoire
hämmern afro-beats in den saal, der wildgewordene conférencier faselt von
seinem coming-out und der darauffolgenden 20jährigen psychoanalyse, das sinfonieorchester
macht sich an den pet shop boys zu schaffen und in der reihe vor uns ist ein
kaum einjähriges mädchen an der brust seines vaters voll dabei, mit grossen
augen und ersten klatschversuchen. wo sind wir? im luzerner theater. bei
mozart. bei mozart? seine mädchenräuber-story „die entführung aus dem serail“
wird vom performancekollektiv gintersdorfer/klassen und dem luzerner
intendanten benedikt von peter bis zur unkenntlichkeit entstellt und neu
montiert. die produktion, ursprünglich fürs theater bremen, hinterfragt radikal
alles, was mozart hergibt: den dialog der kulturen, den sieg der wahren liebe,
die edlen absichten der aufklärung und überhaupt sinn und unsinn des
opernbetriebs, vor allem dies. unmotiviert fiedle das orchester doch oft das
ganze zeug runter, ein rein maschineller vorgang. ja! man sieht sich die musikerinnen und musiker genauer an, denn sie spielen diesmal
auf der bühne, und nur wenige lassen sich anstecken vom feuer, vom ebenso
geistreichen wie witzigen rambazamba. „les robots ne conaissent pas le blues“
heisst der abend gerade deshalb. zwischendurch gibt’s erfreulich oft aus mozarts
original zu hören, vorgetragen von hervorragenden sängerinnen und sängern
(darunter nicole chevalier, die legendäre luzerner „traviata“). zum grossen abschiedsduett von konstanze und belmonte tragen schliesslich alle demo-schilder auf die
spielfläche. „mozart ist nicht mein niveau“ steht auf einem, von einer geradezu
zärtlichen ironie, wie der ganze abend. das baby vor uns ist unterdessen
eingeschlafen. reizüberflutung.
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