moussa
heisst er. der junge araber, der bei gleissendem sonnenlicht am strand von
algier erschossen wird, von einem französischen angestellten namens meursault.
albert camus interessierte sich in „l´étranger“ nicht für das opfer, es hatte
keinen namen und kein gesicht. der algerische autor kamel daoud hat das in
seinem roman „der fall meursault – eine gegendarstellung“ nachgeholt. 70 jahre
nach camus erzählt er die geschichte aus arabischer perspektive. keine
revanche, eine replik. das opfer hat jetzt einen namen. moussa. der ganze
bühnenraum der münchner kammerspiele ist mit teppichen ausgelegt, das theater
als moschee, ein schönes bild. haroun, der jüngere bruder von moussa, ist jetzt
ein alter mann und brüllt seinen ganzen zorn auf die religiösen eiferer in
diesen raum, regt sich auf über camus´ eurozentrismus, ist enttäuscht vom
eigenen land. der zu recht international herumgereichte iranische regisseur
amir reza koohestani verdreifacht haroun in seiner inszenierung – und manchmal
ist er als kind, das den tod des bewunderten bruders nicht versteht, als junger
mann, der sich neben der verbitterten mutter im leben kaum zurechtfindet, und
als alter gleichzeitig auf der bühne. die perspektiven überlagern sich zu
mehrdimensionalen bildern. mit einfachen mitteln (neben den teppichen ein wenig
sand, eine grosse sonne, ein tisch, ein offenes grab) erweckt koohestani moussa
zum leben. wie daouds roman will auch diese inszenierung keine
postkoloniale anklage sein, sondern ein denkanstoss, ein äusserst präziser
blick auf die komplexität der verhältnisse zwischen menschen, zwischen
religionen, zwischen kontinenten. um das zu unterstreichen sprechen die
schauspielerinnen und schauspieler immer wieder auch in ihrer muttersprache,
farsi, bulgarisch, lettisch, arabisch, die welt als babylonische provokation. moussas
leiche wird nie gefunden. das grab bleibt leer. daoud und koohestani füllen es
mit worten, nachhallend und nachhaltig. das eindrückliche ende einer schwierigen geschichte: ein grab
voller worte.
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