ich
war die wildsau in der wolfsschlucht. ich spielte die wichtigste rolle in der
wichtigsten szene des „freischütz“ von carl maria von weber. tief im
vergangenen jahrtausend. als junger, beweglicher statist am luzerner theater. deshalb
und wirklich nur deshalb habe ich zu dieser eigenartigen oper überhaupt eine
nähere beziehung. jägerchöre, jungfernchöre, die wolfsschlucht als
vagina-symbol, versagensängste des mannes beim schuss im dunkeln – huch, hach,
und ich war teil davon. jetzt also „der freischütz“ am opernhaus zürich, ich
kann’s nicht lassen. zur ouverture wird eine riesige zielscheibe aufs
bühnenportal projiziert, die sich neuneinhalb minuten lang in allen
psychedelischen farben verändert und bewegt, gross und klein wird und unscharf
und unförmig: die panik des max, dessen beruf und liebe einzig davon abhängen,
ob er bei diesem einen prüfungsschuss ins schwarze trifft. ein bild und alles
ist gesagt. regisseur herbert fritsch lässt den ganzen deutschen wald links und
den ganzen sigmund freud rechts liegen, die biedermeierliche lust am grauen und
die fritsch’sche lust am grotesken vermengt er gekonnt zu einem grellbunten grusical.
alles wird, auf höchstem professionellen niveau, radikal übertrieben. samiel, der teufel, eigentlich eine nebenrolle, ist hier ein dauerpräsenter, schmieriger conferencier. zur
optischen opulenz liefert marc albrecht mit der philharmonia zürich einen
reizvoll aufgerauhten romantik-sound, schaudern in fis-moll. und ja, fritsch
macht’s ganz ohne wildsau. kann man. hat wohl konzeptionelle gründe. vor allem
aber stand die idealbesetzung nicht zur verfügung, jener bewegliche luzerner
jüngling.
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