Sonntag, 11. März 2012

MÜNCHEN: ZUM ERSTICKEN HIER

ein penetranter schluckauf plagt ljudmila. jungmädchenhaft verlegen muss sie kichern. und wieder. und heftiger. der schluckauf entwickelt sich zum gigantischen lachanfall, der den zahlreich anwesenden im wohnzimmer der familie shelesnow nicht nur peinlich ist, sondern die nerven ausnahmslos aller in kürze blank legt: beleidigungen, beschimpfungen, schlägereien, eskalation total. mit dieser kleinen, alltäglichen szene (und der ausnahmekönnerin brigitte hobmeier als ljudmila) bringt der lettische regisseur alvis hermanis in seiner version von maxim gorkis „wassa“ (1910) an den münchner kammerspielen das ganze elend einer im zug wirtschaftlicher pannen und pleiten auseinander fallenden familie auf den punkt. hyperrealismus auch in der ausstattung: kristine jurjane hat ein komplettes russisches landhaus in die spielhalle gebaut, samt tauben und grünzeug und devotionalien und anderem kuriosem kleinkram. es ist zum ersticken hier. elsie de brauw als wassa, mutter und zentrum dieses desolaten hauses, versucht firma und familie vor dem endgültigen untergang zu bewahren. mit kalter vernunft, kalten blicken, kalten worten, denn die liebe ist ihr abhanden gekommen. keine liebe, keine luft, nirgends. gorki in einer atmosphärischen dichte ohnegleichen.

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