das täfer beige zugepinselt, eine eckbank, darüber der herrgott, auf dem
tisch eine plastikdecke, ein buffet mit uraltem tv-apparat und – ein paar
versteckte ginflaschen: das war die stube der mutter von bruno cathomas in peiden im lugnez. cathomas
(59) ist der aktuell herausragendste schweizer schauspieler, er war in basel,
dann in berlin, in köln und neu ist er am burgtheater in wien engagiert. die
stube seiner mutter steht jetzt auf der bühne des zürcher schauspielhauses und
cathomas erzählt darin – in einem 85-minuten-parforce-solo – zwei geschichten:
die seines dorfes und die seiner flucht aus diesem dorf.
peiden wurde innert kurzer zeit zwei mal ein raub der flammen und
wenig später begann der hang und mit ihm das ganze dorf zu rutschen. diese geschichte
berichtet cathomas wie ein sorgfältiger dorfchronist auf rätoromanisch. die problematische
geologie, die spalten und risse und die damit verbundene unsicherheit werden
zur metapher für cathomas´ jugend. wenn er da in der stube seiner mutter
rumwuselt, erliegt man sofort seiner fabulierlust, jetzt schweizerdeutsch, seinem
humor, seinen anekdoten – von seiner schlosserlehre, von seinem gastspiel in
der fünften fussball-liga, vom veräppeln des dorfpolizisten. doch immer wird
deutlich, wie das grobe dieser welt zu viel wurde für diesen kerl. cathomas ist
ein brocken, aber ein sanfter, verletzlicher, beweglicher. der ruppige vater,
die ausgestossene mutter, der verbreitete mangel an empathie, die enge der gedanken – das alles
wurde ihm unerträglich, immer wieder atmet er schwer und schwitzt beim
erinnern. er musste weg, er ging weg, wurde zum grossen theaterberserker, wild
und sensibel, und vermisste lange nichts. kurz vor der première von „peiden“ kehrte
bruno cathomas nach peiden zurück. das erste mal seit über 30 jahren. sein solo
hat etwas versöhnliches.
Mittwoch, 25. Dezember 2024
ZÜRICH: PEIDEN
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