Dienstag, 10. September 2024

MÜNCHEN: DER TROST DER DINGE

wie entstehen romane? aufgrund einer beobachtung, eines traums, einer plauderei, einer mission, durch brain storming, in einem writers room oder mit hilfe künstlicher intelligenz. alles denkbar, alles möglich. im münchner lenbachhaus lässt sich jetzt nachvollziehen, wie die romane von orhan pamuk entstehen, der 2006 als erster türke mit dem literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. „der trost der dinge“ heisst die ausstellung, sie zeigt die werkstatt eines schriftstellers. es sind also vor allem dinge für pamuk die auslöser: gegenstände führen ihn zu gedanken, gedanken festigen sich zu geschichten. in einer der vielen dutzend vitrinen stehen sich zwei porzellanhunde gegenüber, ein chinesischer aus der dresdener porzellansammlung und ein westlicher. darüber hat sich pamuk einen kleinen seiltänzer gebastelt, der „ständig zwischen den beiden welten hin- und herlaufen und mit einer stange namens romankunst das gleichgewicht halten muss“. so läuft das bei pamuk, geistreich, humorvoll, immer auch zuversichtlich. das düstere bild „das grosse maul“ von alfred kubin beispielsweise, auf dem menschen scharenweise in die hölle marschieren, kehrt pamuk in einem diorama kurzerhand um: dutzende kommen uns, in form winziger fotografien, aus dem maul entgegen, es sind „die menschen, die mich mein leben lang am meisten durch ihre intelligenz und kreativität beeindruckt haben“. auf schritt und tritt wird man daran erinnert, dass pamuk ursprünglich maler werden wollte: skizzenbücher, tagebücher, er zeichnet in kneipen, tusche, aquarelle, er blickt stundenlang aus fenstern, fotografien, kleiner krimskrams. alles ist jetzt da, es ist das museum eines scharfsinnigen mannes. man trifft auf einen faszinierenden fundus, nein, eine flut von gedanken, gegenständen, geschichten – als würde man durch einen dicken roman wandern.

 

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