der französische soziologe und philosoph didier eribon besorgte sich das dialektwörterbuch der champagne, um für sein neues buch („eine arbeiterin“, suhrkamp) seiner entfremdeten und verstorbenen mutter und seiner herkunft auf die spur zu kommen, über den klang seiner heimat, den klang seiner jugend, den er sich im intellektuellen pariser milieu abtrainiert hatte. bestimmt die sprache unser wesen oder verhält es sich umgekehrt? das ist eine der fragen, die auch der lozärner filmemacher aldo gugolz in seinem film „omegäng“ stellt – ohne sie natürlich abschliessend beantworten zu können. der film ist eine reise durch die reiche welt unserer mundarten, vom flucharchiv im emmental zum open-air in der ostschweiz, von sprachpuristen zu sprachartistinnen, ein faszinierendes eintauchen in traditionelle und moderne volkskunde. was macht das mit einem eritreischen migranten, der in einer bürgler bäckerei arbeitet und sich durchaus deutsch verständigen kann, wenn er auch noch einen spezialkurs für „ürner tialäkt“ besuchen muss? hat pedro lenz recht, wenn er sagt, dass bei uns nicht der dialekt aussterben werde, sondern das hochdeutsche, das dem englischen weiche? was bedeutet es, wenn der feministische frauenchor „echo vom eierstock“ alte nidwaldner liedli mit frechen neuen texten aufpeppt? oder dass fast alle befragten in diversen regionen den ausdruck „omegäng“ zwar kennen – aber niemand genau erklären kann, was er bedeutet? mundart ist lebendige sprache, ist heimat, ist bewegung, ist vielfalt, „linguistische biodiversität“ nennt das franz hohler im film sehr treffend. und er hat auch eine klare vorstellung, was dialekt darf, nämlich alles: „was mundart ist, entscheidet der sprachgebrauch.“ omegäng.
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