so sieht ein modernes denkmal aus: „mariupol drama theatre” – jetzt für eineinhalb wochen am neumarkt in zürich zu sehen – ist eine multimediale installation, die ein grauenvolles verbrechen gegen zivilistinnen und zivilisten bezeugt. das in kyiv und berlin basierte center for spatial technologies (cst) schuf eine digitale rekonstruktion des stattlichen theaters in mariupol, das die russen am 16. märz 2022 mit einer oder zwei 500-kilogramm-bomben zerstörten, und eine rekonstruktion des lebens, das über 2000 menschen in den drei wochen davor an diesem zufluchtsort führten: widerstand, verzweiflung, solidarität, resilienz, alles auf engstem raum. „ich kam mir vor wie in einem sozialen experiment“, sagt ihor navka in einem video. das cst analysierte tausende von social-media-posts, kreierte ein 3d-modell des theaters und führte interviews mit 27 überlebenden. ihre erinnerungen werden wach und lebendig, weil sie dank dem modell zurückkehren können in das theater, in die räume, in denen sie ausharrten, in den grossen luftschutzkeller, ins hauptfoyer, das zum kindergarten umfunktioniert wurde, in eine künstlergarderobe, die als arztpraxis diente. selbstorganisiert schufen 2000 menschen hier eine stadt in einem gebäude. die ruhe und die sorgfalt, mit der die überlebenden jetzt aus distanz darüber berichten, lässt erahnen, was für eine aussergewöhnliche leistung und was für ein starkes gemeinschaftserlebnis das für alle war. um dies für uns auch nur annähernd vorstellbar zu machen, betritt man die installation im saal des neumarkt-theaters auf umwegen, durch die garderoben, die engen gänge, die hinterbühne. einmal wird dann der ton auf dem grossen screen ausgeblendet und in der tiefe des raumes beginnt eine pianistin zarteste tonfolgen zu spielen, während die happigen bilder weiter laufen. so wird aus der dokumentation eine meditation, ein denkmal, ein eindrücklicher appell gegen das vergessen.
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