Donnerstag, 25. April 2024

MAGDEBURG/MÜNCHEN: BLUTBUCH

bern, hannover, zürich, magdeburg: kim de l’horizon hält mit seinem „blutbuch“ die theater auf trab. nach der eher lauwarmen annäherung in zürich war ich gespannt auf die hochgelobte inszenierung von jan friedrich am theater magdeburg, die im rahmen des radikal-jung-festivals jetzt in münchen gastierte. spoiler: das nicht nur junge publikum im rammelvollen volkstheater johlte, begeisterung total und schier endlos. zuerst ist nur die grossmutter auf der bühne, die „grossmeer“, allein und gebückt und stumm, das objekt, an dem sich autor und text abarbeiten. und dann, nach und nach und von allen seiten, sieben kims, alle im exotischen fummel, den er/sie/es bei der verleihung des deutschen buchpreises trug. sieben attraktive menschen (w/m/d) in diesem kostüm: eine augenweide. überhaupt gelingt es dem magdeburger team, aus diesem sehr ernsthaften, hochreflektierten text einen überaus sinnlichen abend zu machen: biographiearbeit, die suche nach wurzeln und wunden als fulminante show, mit glimmer und musik, mit fotzelschnitten-horror und penetrantem ostschweizer dialekt der mutter, mit videos und knalleffekten – und doch steht (und dies im gegensatz zum zürcher schauspielhaus) eines immer im zentrum: der aussergewöhnliche, auch nach mehrfacher lektüre und/oder begegnung immer noch tief berührende text über das „herausschwimmen aus der schlammigen klasse“. das ist avantgarde, inhaltlich und formal. hier geht einer an seinen traumata nicht zugrunde, sondern macht kunst daraus, kunst für sich und kunst für alle: man muss nicht non-binär sein, um dieser beschäftigung mit der eigenen herkunft und der suche nach identität spannende impulse abgewinnen zu können. man hört die sätze der sieben kims auf der bühne und hört in sich hinein.

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