bern, hannover, zürich, magdeburg: kim de l’horizon hält
mit seinem „blutbuch“ die theater auf trab. nach der eher lauwarmen annäherung
in zürich war ich gespannt auf die hochgelobte inszenierung von jan friedrich
am theater magdeburg, die im rahmen des radikal-jung-festivals jetzt in münchen
gastierte. spoiler: das nicht nur junge publikum im rammelvollen volkstheater
johlte, begeisterung total und schier endlos. zuerst ist nur die grossmutter
auf der bühne, die „grossmeer“, allein und gebückt und stumm, das objekt, an
dem sich autor und text abarbeiten. und dann, nach und nach und von allen
seiten, sieben kims, alle im exotischen fummel, den er/sie/es bei der
verleihung des deutschen buchpreises trug. sieben attraktive menschen (w/m/d)
in diesem kostüm: eine augenweide. überhaupt gelingt es dem magdeburger team,
aus diesem sehr ernsthaften, hochreflektierten text einen überaus sinnlichen abend zu machen: biographiearbeit, die suche nach wurzeln und
wunden als fulminante show, mit glimmer und musik, mit fotzelschnitten-horror
und penetrantem ostschweizer dialekt der mutter, mit videos und knalleffekten – und doch
steht (und dies im gegensatz zum zürcher schauspielhaus) eines immer im
zentrum: der aussergewöhnliche, auch nach mehrfacher lektüre und/oder begegnung
immer noch tief berührende text über das „herausschwimmen aus der schlammigen
klasse“. das ist avantgarde, inhaltlich und formal. hier geht einer an seinen
traumata nicht zugrunde, sondern macht kunst daraus, kunst für sich und kunst
für alle: man muss nicht non-binär sein, um dieser beschäftigung mit der
eigenen herkunft und der suche nach identität spannende impulse abgewinnen zu
können. man hört die sätze der sieben kims auf der bühne und hört in sich
hinein.
Donnerstag, 25. April 2024
MAGDEBURG/MÜNCHEN: BLUTBUCH
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